Die Besucherzahl des Marktes hat sich seit Beginn verzehnfacht. Foto: geschichtenfotograf

Der Kleintiermarkt lockt jeden Monat hunderte Besucher ins Vereinsheim der Marbacher Kleintierzüchter. Manch einer nimmt eine lange Anreise in Kauf.

Marbach - Die Augen von Ute Buger-Binder leuchten, als ihr neuer Hahn im Karton verschwindet. „Das ist wirklich ein Schöner“, freut sich die Brackenheimerin über das Tier. „Aber der ist nicht grün legend, oder?“ Der Verkäufer des Tiers stutzt kurz: „Aber das ist doch ein Junge“, sagt er und grinst. Aber natürlich geht es Buger-Binder um die Vererbung. Denn wie viele andere, die zum monatlichen Kleintiermarkt kommen, sucht sie kein Kuscheltier, sondern Genmaterial: Die Züchter brauchen frisches Blut, um dem perfekten Vogel näher zu kommen.

Seit 50 Jahren gibt es den Markt, der an jedem ersten Wochenende im Monat im Vereinsheim des Vereins für Kleintierzucht und Vogelfreunde an der Poppenweiler Straße stattfindet. „Am Anfang kamen so 30, 40 Leute“, erinnert sich der Vorsitzende, Erich Horntasch. Heute sind es zehnmal so viele Besucher. Einer von ihnen vergleicht gerade das Gewicht der Hähne, die kopfüber in seinen Händen baumeln. Schließlich nickt er zufrieden: Der dickste Hahn landet zum Abtransport im Karton. Daheim im Stall soll er für guten Nachwuchs sorgen.

Wie genau der aussehen sollte, steht im Geflügelstandard – gewissermaßen der Bibel jedes Züchters. Dort hat der Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter (BDRG) festgelegt, was ein Tier braucht, um bei einer Ausstellung das begehrte „V“ wie „vorzüglich“ zu erhalten. Für die Hühnerrasse „Ostfriesische Möwe“ sind zum Beispiel ein „voll behangener Hals“ und eine „tief angesetzte Brust“ wichtig. Ein „Steil-oder Fächerschwanz“ ist dagegen ein No-Go.

Das Hobby Kleintierzucht ist laut Klischee typisch deutsch. Tatsächlich ist der BDRG mit 180 000 Mitgliedern laut eigenen Angaben der weltweit führende Verband seiner Art. Doch auch andere Länder blicken auf eine ähnliche Tradition zurück. Vor allem am Bosporus und bei in Deutschland lebenden Türken und Griechen sind zum Beispiel Kunstflugtauben beliebt. Die Tiere werden weniger auf äußere Merkmale als auf ihr Flugbild gezüchtet – dieses ist von Rasse zu Rasse unterschiedlich. In die Luft gelassen, schlagen sie Rollen, trudeln nach unten oder schrauben sich waagrecht durch den Himmel.

Ähnlich sieht es bei den „Serbischen Hochfliegern“ aus, die Milos Zivanovic auf dem Marbacher Tiermarkt anbietet. Er ist sichtlich stolz auf seine Tiere. „Wenn ich sie loslasse, fliegen sie steil nach oben, bis man sie kaum noch sieht“, erklärt er. Irgendwann kommen sie wieder nach unten – weite Strecken legen sie nicht zurück.

Ganz im Gegensatz zu den Händlern beim Tiermarkt: Sie kommen teilweise aus 80 Kilometern Entfernung, der Markt in Marbach gehört für viele jeden Monat dazu. Auch viele Besucher kommen regelmäßig: „Ich bin immer zum Gucken hier“, meint ein Mann. „Trinke ein paar Bierchen, treffe Leute.“ Dann wendet er sich wieder den Vogelkäfigen zu.

Auch Züchter aus der Region bieten ihre Tiere an. Der Marbacher Christian Gärtner steht neben einem Käfig mit Japanischen Legewachteln. „Davon habe ich knapp 70 Stück, plus etwa 150 Küken“, erklärt er. Vor anderthalb Jahren hat er mit der Zucht der kleinen Vögel angefangen. „Die machen nicht so viel Krach wie Hühner“, sagt er und lacht. Ein paar Meter nebenan: Leuchtende Kinderaugen an den Meerschweinchenboxen. Vier Euro kostet das Stück – wenn sich Eltern erweichen lassen, machen sie wenigstens ein Schnäppchen.

Im Alter nimmt die Faszination nicht ab, Wolfgang Dittes aus Bretten kann ein Lied davon singen. „Schon als Kind hatte ich Tauben, mit acht Jahren bin ich in den Kleintierzuchtverein eingetreten“, erzählt er. Das ist fast 60 Jahre her, doch auch heute hat er noch rund 200 Tauben. „Mit ihnen gehe ich regelmäßig auf Ausstellungen, habe auch schon einige Preise gewonnen“, erzählt Dittes. Hinter ihm ist ein Helfer dabei, Tier um Tier in einen Transportkorb zu packen. Denn die Heimfahrt steht an.

Nach und nach leeren sich auch die anderen Käfige, der Zuschauerstrom nimmt ab. Die letzten Tiere verschwinden wieder in ihren Transportkisten und in den Kofferräumen. Manche von ihnen werden wohl wiederkommen, wenn im einem Monat die Jagd nach neuem Genmaterial von neuem beginnt.