Zwei Bestatter transportieren einen leeren Sarg zum Kühlhaus des Marbacher Friedhofs. Foto: geschichtenfotograf.de

Bestatter brauchen Mitgefühl und eine dicke Haut, wenn sie Verstorbene auf die letzte Reise begleiten.

Marbach - Nur auf den ersten Blick sieht der hagere alte Herr aus, als ob er schliefe. Doch unter den geschlossenen Lidern rollt er nicht im Traum mit den Augen, seine Haut ist wie gelbliches Wachs. Und der Brustkorb des Mannes hebt und senkt sich nicht zum Atmen. Er wird es nie wieder tun, denn der Mann ist tot. Er liegt im Kühlraum des Marbacher Friedhofs.

Zwei Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens Fink sind gerade dabei, ihn für die letzte Ruhe zu betten. Gemeinsam heben sie den leblosen Körper an, legen ihn in den Sarg, den die Angehörigen des Mannes ausgesucht haben. Jetzt geht es ans Umziehen. Die Hinterbliebenen haben den Bestattern jene Kleidung mitgegeben, die der Mann zu Lebzeiten am liebsten getragen hat. Anzug, Krawatte, Hut – der Dresscode für die Ewigkeit. Vorsichtig kleiden die Bestatter den Toten ein, dann kommt das Make-Up an die Reihe. Puder überdeckt Flecken und kleine Blessuren.

Nicht alle Toten, um die sich die Bestatter kümmern, hatten wie dieser Herr Angehörige, die von ihnen Abschied nehmen können und wollen. Es gibt auch solche, die niemanden hatten und erst nach einigen Tagen gefunden werden. Die, die sich selbst etwas angetan haben, die Opfer eines Unfalls geworden sind oder erst vom Gerichtsmediziner in Augenschein genommen werden müssen, Todesursache unklar. Ein Bestatter muss einiges aushalten können. „Wenn wir losfahren, wissen wir oft nicht, was uns erwartet und ob wir den Toten vielleicht kannten“, erzählt einer der Sargträger. Er ist Rentner, verdient sich als Bestattergehilfe etwas dazu.

Jedes Jahr begleiten die Bestatter der Firma Fink rund 250 Menschen zur letzten Ruhe. Die Chefin Helga Fink hat sich 1973 in den Familienbetrieb ihres Mannes Herbert eingeheiratet und hilft seitdem mit. Davor war sie technische Zeichnerin. An den Umgang mit Verstorbenen hat sie sich gewöhnt, doch in all der Zeit, sagt sie, seien einige Geschichten hängen geblieben – „manchmal kannte man die Toten ja auch selbst“. Im Umgang mit den Angehörigen ist Mitgefühl gefragt: „Es muss nicht immer alles sofort geklärt werden“, meint Fink.

Die Firma gibt es seit vier Generationen – als der Großvater ihres Mannes in Kirchberg anfing, war der Betrieb aber eher eine Schreinerei, die Särge baute und Bestattungen übernahm. Seitdem hat sich viel geändert. Das Hauptbüro ist seit 1987 in Marbach, auch in Affalterbach und Steinheim haben die Bestatter einen Sitz. Und auch die Arbeit lässt sich mit den Gründungstagen nicht mehr vergleichen. Damals ging es darum, den Toten zu vermessen und den Sarg zu zimmern. Zur Trauerfeier gab es einen Gottesdienst mit Orgelmusik und Erdbestattung, das war lange keine Frage.

Da sind die Wünsche heute schon ausgefallener. Die Musik etwa kann auch von einer Dixieband kommen oder von CD. „Es gab zum Beispiel jemanden, der sich etwas von den Toten Hosen gewünscht hatte“, verrät Finks Mitarbeiterin Karin Pressel. Auch für die Beisetzung selbst bleiben kaum Wünsche offen. Fink führt durch den Ausstellungsraum: Urnen aus Keramik, Metall oder biologisch abbaubarem Naturmaterial. Särge in verschiedenen Farben und Preisklassen, aus Eichenfurnier oder Nussbaumholz. Gefragt sind in letzter Zeit auch Holzstäbe, in denen jeder dem Verstorbenen ein paar Worte oder ein Foto mit ins Grab geben kann. Ganz neu: Ein Anhänger mit dem Fingerabdruck des Toten. „Das haben bisher aber erst zwei gemacht“, räumt Fink ein.

Eine weitere große Änderung: „Zwei Drittel sind heute Urnenbestattungen“, sagt Fink. Früher seien die noch eine Seltenheit gewesen. Immer mehr Angehörigen fehle das Geld für ein großes Grab und die Zeit, um es zu pflegen. Urnenstelen, Rohr- oder Waldbestattungen liegen im Trend. Die aus US-Filmen bekannte Urne auf dem Kaminsims, erklärt Fink, sei dagegen weiter tabu: In Baden-Württemberg besteht, wie in den allermeisten deutschen Bundesländern, Friedhofspflicht.

Der Tod gehört zum Leben dazu. Jeder weiß es, und doch planen viele nicht wirklich, was mit ihrem toten Körper geschehen soll. Helga Fink hat die Beerdigungen von tausenden Menschen organisiert. Der Tod ist ihr täglich Brot – und trotzdem räumt sie ein: „Ich weiß auch noch nicht, wie ich beerdigt werden will. Vielleicht lasse ich mich einfach überraschen.“