Foto: geschichtenfotograf.de

Die Mini-Piloten des Modell-Flieger-Clubs Marbach gehen an sonnigen Wochenenden in die Luft.

Marbach - Im Tiefflug rast die F4U Corsair über den Galgen. Wenige Zentimeter über dem Boden dreht der Pilot das US-Jagdflugzeug in Rückenlage und drückt sie wieder in die Höhe. Eigentlich würden die auftretenden Beschleunigungskräfte dem Mann am Steuerknüppel jetzt die Sinne rauben. Doch Nils Kägi steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Flugplatzes des Modell-Flieger-Clubs Marbach. Kurze Zeit später lässt er das einen knappen Meter kleine Modell auf den Rasen aufsetzen. Kägi ist in seinem Element.

Die Flugzeugfans treffen sich immer am Wochenende auf ihrem Gelände zwischen Marbach, Steinheim und Murr. Der Vereinsvorsitzende Kägi gehört mit seinen 21 Jahren zu den Jüngeren unter den Miniaturpiloten, viele von ihnen sind gestandene Männer.

So wie Klaus Neidlein, der vor 48 Jahren als Gründungsmitglied dabei war. Damals war noch vieles anders: „Allein eine Fernsteuerung kostete damals schon tausend Mark“, erinnert er sich. Heute ist so ein Steuergerät für etwa 120 Euro zu haben. Aber auch abseits davon, dass nicht jeder sich das Hobby leisten konnte, hatten es die Mini-Flugpioniere nicht leicht: „Erst flogen wir immer zwischen Marbach und Poppenweiler. Dort hat uns irgendwann ein Jäger vertrieben“, erzählt Neidlein. Der Waidmann fürchtete um seine Strecke. Also war ein Umzug auf den Galgen nötig. Der heutige Flugplatz dort war zuvor ein Sumpf gewesen, den die Modellflieger erst trockenlegten, bevor sie auf ihm starten und landen konnten.

Doch auch hier waren die Minipiloten zunächst nicht gerne gesehen. „Vor etwa 30 Jahren hat das Regierungspräsidium uns den Platz zugemacht“, sagt Klaus Neidlein. Eine Grundstücksbesitzerin hatte sich wegen des Lärms der Verbrennungsmotoren beschwert – technisch ausgereiftere Mini-Elektromotoren kamen damals erst allmählich auf den Markt.

Was nicht heißt, dass die Modellfliegerei mit Elektrokraft eine lahme Sache ist. Nils Kägi und Erik Seitz machen sich gerade daran, einen „Rad Jet 800“ zu starten. Nachdem sie den kleinen Hartschaumflieger mit einem Gummizug in die Luft katapultiert haben, gibt Seitz Gas. Schon wenige Sekunden später ist das Modell fast den Augen entschwunden. „Dieses Modell fliegt bis zu 200 Stundenkilometer schnell“, erklärt Kägi. Nicht alle Flugbegeisterten sind diesem Rausch der Geschwindigkeit verfallen: Über ihren Köpfen ziehen auch Segelflieger und Motorsegler im Miniformat ihre gemächlichen Kreise.

Wobei Miniformat relativ zu verstehen ist: An den Abenden baut Nils Kägi zuhause am Modell eines Segelfliegers vom Typ Swift S1 im Maßstab 1:3. Fast der gesamte Kellerraum wird von dem Flugzeug ausgefüllt, das fertig montiert eine Spannweite von fast 4,30 Metern haben und fast zehn Kilogramm wiegen wird. Bei den Details gerät Kägi ins Schwärmen: Sogar die Lackierung will der Flugzeugfan originalgetreu halten. Er steht deswegen mit einem Kunstflugteam in Kontakt, das eine echte Swift fliegt. Wie dieses Vorbild verfügt das Modell über ein einziehbares Fahrwerk mit Klappen, eine Radbremse, außerdem über einen Rumpf aus extraleichten Verbundwerkstoffen und kohlefaserverstärkte Tragflächen. „Das ist definitiv kein Anfängermodell“, meint Kägi. Mit dem Flugzeug will er im kommenden Jahr bei Flugwettbewerben antreten – Acrosegelflug nennen die Modellpiloten diese Disziplin.

Die komplizierten Kunstflugfiguren, die sie dabei zu meistern haben, erfahren die Teilnehmer teilweise erst beim Wettstreit. „Richtiges Gänsehautfeeling kommt dann bei der Kür auf“, sagt Kägi. Dann ziehen die Segelflugzeuge Rauchfahnen hinter sich her und zeigen ihre einstudierten Choreografien zu Musik – meist Klassik oder Bryan Adams. „Heavy Metal passt dazu weniger“, sagt Kägi.

Er hofft natürlich, dass sein Großmodell möglichst lange unversehrt bleibt. Denn nicht immer geht bei den Marbacher Modellfliegern alles glatt. Auch heute nicht. Kurz nachdem ein Pilot seine Nachbildung einer Piper Cub gestartet hat, röhrt auf einmal der Motor los. Lauter als er sollte. „Nimm Gas raus“, rufen die Modellflieger neben dem Platz. Doch es ist zu spät. Der Hochdecker gerät ins Trudeln und stürzt auf einen nahe gelegenen Acker. Kurze Zeit später kehrt der Pilot mit seinem Flugzeug unterm Arm zurück. Für die kleine Piper ist der heutige Ausflug gelaufen. Doch das ist halb so schlimm: Im Gegensatz zu den echten Berufspiloten sind die meisten Modellflieger nämlich gleichzeitig Konstrukteure und Mechaniker.