Foto: Phillip Weingand

Die Forellen und Karpfen von Otto Rau gedeihen auch im Winter – dank des warmen Quellwassers. Der Steinheimer züchtet seit 17 Jahren.

Steinheim - Um sieben Uhr morgens liegt die Dunkelheit noch über Steinheim. Doch aus einem kleinen Pavillon, unterhalb der verlängerten Rielingshäuser Straße, steigt Rauch auf. Drinnen, im Licht einer Kopflampe, hängt Otto Rau eine Forelle nach der anderen in seinen Räucherofen. „Die habe ich erst gestern Abend geschlachtet“, sagt er. Seine Stimme ist heiser – aber nicht wegen des Rauchs, den der Wind immer wieder durch den Schornstein zurückbläst, sondern weil er sich gerade von einer Grippe erholt.

Selbst das kann den68-jährigen Steinheimer nicht von seinem großen Hobby abhalten. Seit 17 Jahren zieht er am Ortsrand Fische groß. In den Teichen tummeln sich Regenbogen- und Lachsforellen, Saiblinge und Karpfen. Während das Thermometer am Räucherofen auf 80 Grad Celsius klettert, stapft Rau nach draußen in die Kälte, es ist Fütterungszeit. In großen, kommerziellen Fischzuchtbetrieben erledigt diese Arbeit ein Automat. „Dort werden die Fische in der Hälfte der Zeit auf ihr Gewicht gebracht. Das ist dort wie bei den Mastschweinen“, sagt Rau. Bei ihm würden Forellen dagegen etwa ein Jahr alt. „Ich füttere auch immer von Hand, ich will schließlich sehen, ob die Fische die Nahrung annehmen“, sagt er. Dann wirft er eine Handvoll Futterpellets ins Wasser. Sofort durchschneiden Rückenflossen die Oberfläche.

Allmählich spiegelt sich das erste Tageslicht auf dem Wasser, als Otto Rau nach seinem Liebling namens Johann sieht. Doch der lässt auf sich warten. Endlich, nachdem einige Handvoll Futter im Wasser gelandet sind, schlängelt sich ein dunkler Schatten mit weißer Schnauze am Grund entlang, Otto Rau strahlt vor Freude. Sein Stör Johann ist rund anderthalb Meter lang, aber ein friedlicher, schüchterner Zeitgenosse.

Das Schicksal fast aller Fische in Otto Raus Teichen wird eines Tages von einem betäubenden Schlag auf den Kopf und einem Messerstich ins Herz besiegelt. Doch Johann wird das erspart bleiben. Das hängt unter anderem mit einem Besuch der Marbacher Zeitung zusammen, der vor einigen Jahren stattgefunden hat. „Für das Foto wollte ich ihn kurz aus dem Wasser heben, doch er hielt nicht still. Dann habe ich ihm gesagt: Wenn du dich jetzt hochheben lässt, bekommst du das ewige Leben“, erzählt Rau.

Johann teilt sich mit zwei kleineren Artgenossen und einigen Karpfen das Becken – den einzigen Teich, den Rau nicht mit Drahtnetz abgedeckt hat. Für Fischreiher wären die Tümpel mit den kleineren Fischen sonst allzu einladend. Doch andere Räuber lassen sich nicht ganz so leicht abhalten. „Schon einige Male ist jemand über den Zaun und stand dann hier, mit Kescher und Transportkiste“, sagt er. „Doch bislang haben wir sie alle erwischt.“ Grundstück und Teiche sind nämlich mit einem stummen Alarm gesichert.

Im Lauf der Jahre hat Otto Rau viel Zeit, Geld und Arbeit in sein großes Hobby investiert. „Ich bin meiner Frau sehr dankbar, dass sie mich machen lässt“, meint der Rentner. Nicht nur, dass er zu den Teichen geht, um die Tiere zu füttern, zu schlachten oder zu räuchern. Er muss zum Beispiel ständig nachsehen, ob es den Fischen gut geht oder ob Laub den Wasserzufluss verstopft. Gespeist werden die Teiche mit Wasser aus einer nahen Quelle. „Das hat immer um die acht Grad, deswegen friert hier auch im Winter nichts zu“, erklärt Rau. Doch da die Fische Sauerstoff benötigen, leitet er auch Wasser aus dem Sulzbach zu. So kriegen die Kunden, die am Wochenende kommen, Fisch aus zu 100 Prozent heimischem Gewässer.

Nach knapp anderthalb Stunden öffnet Otto Rau den Räucherofen. Die würzig duftenden, golden glänzenden Lachsforellen hängt er nach draußen, zum Abkühlen. Allzu viele Kunden kommen um diese Jahreszeit nicht. Aber er betreibt seine Fischzucht auch nicht, um damit viel Geld zu verdienen. „Wollte ich reinholen, was ich hier investiert habe, müsste ich 150 Jahre alt werden“, sagt er und lacht.

Draußen zieht derweil Johann seine Runden. Wenn ihm nichts zustößt, wird er es auch noch tun, wenn sich Otto Rau nicht mehr um seine Teiche kümmern kann. Denn Störe können mehr als 80 Jahre alt werden.