Über die Kunst von Clown Florentine staunen jung und alt. Foto: Dominik Thewes

Das Projekt „Roller trifft Rollator“ hat im Kinderhaus Steinstraße den Nachwuchs mit den Senioren vom örtlichen Kleeblatt-Pflegeheim zusammengebracht.

Steinheim - Schweren Schrittes nähert sich Hildegard Dejewski dem Haus mit der Nummer 8. Ohne Gehhilfe würde sie die wenigen Meter vom Auto zur Haustüre vermutlich nicht mehr schaffen. Für Beobachter der Szene könnte der Kontrast nicht größer sein: Die 94-Jährige ist auf dem Weg ins Kinderhaus Steinstraße.

Dort fällt es Leni und Yannick schwer, ihre erwartungsvolle Vorfreude zu verbergen. Schließlich ist Hildegard Dejewski mehr als nur eine alte Frau, die heute zu Besuch kommt. Für viele der Kinder ist sie zu einer Freundin geworden. Überhaupt haben die Kinder die Senioren ins Herz geschlossen, die in diesem Kindergartenjahr alle 14 Tage vom nahe gelegenen Kleeblattheim ins Kinderhaus gekommen sind. Zusammengeführt hat sie das preisgekrönte Projekt „Roller trifft Rollator“.

Kurz vor den Sommerferien sind die Senioren nun ein letztes Mal zu Gast. „Wir feiern heute den Abschluss des Projektes“, sagt Kinderhausleiterin Christina Klotz. Dass ihr das ohne jegliche Wehmut über die Lippen kommt, hat einen guten Grund. Sie weiß, dass mit dem offiziellen Abschied das Ende nicht erreicht ist. „Ich höre mich nicht nein sagen“, antwortet etwa Richard Köpf auf die Frage, ob er weiter im Kinderhaus helfen möchte. Ab Mitte September will er mit den Zöglingen wieder in der Holzwerkstatt arbeiten. Kopfnicken auch von Evelyn Zeisler und Erna Geiger. „Jeder Tag im Kinderhaus ist schön und eine Bereicherung“, sagt Letztere. Für die beiden steht außer Frage, ihre Vorlesestunde fortzuführen.

Spiele von früher, altes Liedgut, Erfahrungen im Haushalt – all das haben die Senioren in das Projekt eingebracht. So hat Margarete Stegmaier mit ihren81 Jahren Wissen einbringen können, das Kinder von heute von ihren Eltern meist nicht mehr vermittelt bekommen. Selbstgemachte Pommes frites samt Ketchup ist nur ein Beispiel. Und auch Erdbeermarmelade muss man nicht im Supermarkt kaufen.

Mitgenommen haben die Senioren aber auch so einiges. „Mir gefällt es hier wirklich“, sagt Margarete Väth. Dass der Nachmittag eine willkommene Abwechslung zum Heimalltag darstellt, braucht die 89-Jährige nicht erst betonen. „Ich bin ja selber noch ein Kind“, kommt es lachend aus ihr heraus, als Clown Florentine sie nach vorne bittet. Verblüfft müssen die Senioren nämlich feststellen, dass der Überraschungsgast der Abschiedsfeier nicht nur zur Kinderbespaßung engagiert wurde. „Die Interaktion ist ja das Schöne“, sagt Kerstin Esch, die sich die rote Nase aufgesetzt hat und mit einer lustigen Seifenblasenshow im wahrsten Wortsinn Jung und Alt motiviert. Wer von den Kindern nicht gerade einer Seifenblase hinterherspringt, schaut oder staunt, hat es sich inzwischen auf dem Schoß einer der Gäste gemütlich gemacht. Von Berührungsängsten keine Spur. „Anfangs gab es die schon“, sagt Christina Klotz. Jede Seite wollte schließlich wissen, was und wer da auf ihn zukommt.

Dabei war man sich von Anfang an nicht ganz fremd. Jedes Jahr führen die Kinder ein Krippenspiel im Kleeblattheim auf. An Weihnachten 2013 haben die Senioren die Kinder gefragt, wo sie herkommen. Statt langer Erklärungen gab es eine Einladung. Der Gegenbesuch erfolgte im Frühjahr 2014. Es war der Beginn einer wunderbaren Partnerschaft. „Die Senioren helfen uns wirklich sehr“, sagt Christina Klotz. Ihre Mitarbeit sei eine Entlastung für das Kinderhausteam. Dass dieses geschlossen hinter dem Projekt stehe, sei eine zusätzliche Erleichterung, so die Leiterin.

Das Engagement hinter dem Projekt, aber auch sein Potenzial ist der Volksbank Ludwigsburg nicht verborgen geblieben. Als „vorbildliche integrative Idee“ hat die Jury der Stiftung für Kinderförderung des Geldinstituts dem Projekt „Roller trifft Rollator“ vergangenen Herbst den dritten Preis und damit 2000 Euro zugesprochen. Wie hoch die Identifikation mit dem Projekt auf beiden Seiten ist, zeigten Rieke Traub und Hans Neubauer schon damals. Während das kecke Mädchen vor die Juroren gerollert ist, kam Hans Neubauer mit dem Rollator hinterher. Nicht zu erwarten ist, dass damit der Ideenreichtum von Christina Klotz und ihrem Team ausgeschöpft ist. Immerhin konnten sie in der Vergangenheit mit den Projekten „Garten der Elemente“ und „Von der Rumpelkammer zum Forscherraum“ bereits die Jury überzeugen.

Den Grund für den Erfolg kennt der für das Kindergartenwesen zuständige Hauptamtsleiter Norbert Gundelsweiler, der auf Freiwilligkeit bei der Teilnahme an dem regionalen Wettbewerb setzt. Dahinter stecke schließlich ein zeitlicher Aufwand, „und dafür braucht es motivierte Mitarbeiter“. Dass sich neben dem Kinderhaus Steinstraße auch der Kindergarten Schillerstraße regelmäßig an der Ausschreibung beteiligt, muss dem Verwaltungsmitarbeiter ein gutes Gefühl geben.