Wolfram Braun und sein Vater Wilhelm schießen die Brote ein. Foto: geschichtenfotograf

Kleine Bäcker habe es schwer, gegen große Ketten und Discounter zu bestehen. Für unsere Freitagsreportage waren wir bei einem Handwerksbetrieb in Kirchberg.

Kirchberg - Um vier Uhr morgens liegt Zwingelhausen noch in tiefem Schlummer. Ab und zu ist aus dem nahen Stall eine Kuh zu hören, ansonsten: Stille. Doch aus einem Fenster kommt Licht. Bäcker Braun ist schon am Werk. Wie eigentlich immer, außer sonntags, steht er mit seiner Frau Claudia und seinem Vater Wilhelm in der Backstube. Während Wolfram Braun Brötchen in Form presst und sein 69-jähriger Vater sich um den Ofen kümmert, wiegt seine Gattin große Teigklumpen ab: Kilolaibe, Pfünderle, anderthalb Kilo… Aus den unförmigen Gebilden wird bald die Spezialität der kleinen Bäckerei entstehen: Das Zwingelhäuser Bauernbrot. „Eigentlich war meine Familie immer in der Landwirtschaft“, erzählt Wolfram Braun. Früher hatten die Brauns auch Äcker, Milchvieh, aber vor allem Hühner, deren Eier sie verkauften. „Einer von den Kunden fragte eines Tages meine Oma Luise, ob sie auch mal ein Brot backen könnte“, sagt Bauer. Aus einer Ausnahme wurde die Regel, das Rezept seiner Großmutter verwendet Braun noch heute. Als er seine Ausbildung begann und auf die Meisterschule ging, brach er mit dem Bauernleben. „Ich bin Bäcker geworden, weil mir die Landwirtschaft zu unsicher schien“, sagt er.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Ein sicherer Hafen ist das Leben als Bäcker nicht mehr. Im Gegenteil: Seit 1980 haben in Deutschland laut dem Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks mehr als 17 000 Bäckereien geschlossen. Derzeit trifft es jährlich drei Prozent der Betriebe. Auch bei Braun war es schon fast so weit. Im Jahr 1997 ließ er in Zwingelhausen eine neue Bäckerei hochziehen, mit Laden davor. Das alte Backhäusle seiner Großmutter musste dafür weichen – „vielleicht war das ein Fehler“, sagt er heute, wenn er an das Haus mit dem Holzofen zurückdenkt. Dann war da noch die Sache mit dem Geld: Der Bau wurde viel teurer als erwartet, eines Tages kam der Gerichtsvollzieher. Braun ist jetzt im letzten Jahr seiner Insolvenz, und froh, dass der finanzielle Druck allmählich abnimmt.

Auch wenn sie keine Schulden haben, ist die Lage für kleine, selbst backende Bäckereien wie die von Wolfram Braun schwierig. „Als wir das hier gebaut haben, haben wir samstags im Durchschnitt 200 Brote gemacht“, erinnert sich Braun. Heute sei es gerade mal die Hälfte. „Unsere Kundschaft sind vor allem Ältere“, sagt Braun. Die Essgewohnheiten der Menschen hätten sich verändert: Junge Leute würden oft gar nicht oder erst bei der Arbeit frühstücken. Und abends äßen viele warm. „Da fällt nochmal eine Mahlzeit mit Brot weg“, sagt Braun.

Dazu kommt die Konkurrenz. Im Discounter gibt es Backwaren ohne eine Extratour zu einem Bäckerladen, wie ihn die Brauns gegenüber des Kirchberger Rathauses betreiben. Beliefert werden sie von großen Bäckereiketten oder eigenen Betrieben, die Brote in Stückzahlen und zu Preisen herstellen können, von denen kleine Bäcker nur träumen können. Ein Brötchen beim kleinen Bäcker kostet oft das Dreifache der Discounterware. Selbst größere Betriebe bringen das Billigbrot in Bedrängnis.

„Dafür können wir kleinen Bäcker flexibler auf Kundenwünsche reagieren“, sagt Braun. Wenn er davon erzählt, was er sich schon ausgedacht hat, gerät er ins Schwärmen: „Wir haben schon einen Leiterwagen aus Backwaren gebaut, Hefezöpfe in Zahlenform gebacken, oder eine Torte, die aussah wie eine Lokomotive“, sagt er. Er setzt außerdem auf Produkte aus ungewöhnlichen, alten Getreidesorten wie Emmer, die Discounter kaum im Angebot haben. Auch im Café in Kirchberg muss er mit der Zeit gehen. Ein simpler Kaffee reicht vielen Kunden nicht mehr aus, gefragt sind Moccacino oder Latte Macchiato.

Bald kann Braun mit der Hilfe seines Vaters die Brote einschießen: Mit einem kräftigen Ruck landen sie auf der steinernen Backfläche hinter einer der elf Ofentüren. Als Braun diese kurz darauf wieder öffnet und er die Bleche voller Brezeln und Brötchen herausholt, breitet sich köstlicher Duft aus. Er weht durch den Backraum, vorbei an der noch leeren Verkaufstheke, bis auf die Straße. Dort geht schon langsam die Sonne auf. Wenn der Bäckerladen im Kernort und das Geschäft in Zwingelhausen das Backwerk verkauft haben, ist der Arbeitstag für Wolfram Braun noch nicht vorbei. Nachmittags knotet er Brezeln, bereitet alles Nötige für den nächsten Tag vor. Feierabend? Braun lacht. „Gestern war’s acht, glaub‘ ich.“