Die letzte Getreidelieferung ist in dieser Woche angekommen. Foto: geschichtenfotograf.de

Bei der Labag ist in dieser Woche die letzte Getreidelieferung angekommen. Dort lagern nun tausende Tonnen Weizen, Gerste und Co.

Marbach - Staub hängt in der Luft. Er kriecht in die Kleidung und durch die Atemwege, setzt sich als dünne Schicht auf den schmalen Holzsteg, der durch die Lagerhalle der Labag führt. Über ein Förderband kommt Getreide nach oben, „eine Schaufel“, wie der stellvertretende Silomeister Thomas Schick meint. Und zwar eine ziemlich große. Eine Tonne Weizen rieselt in das Meer aus Getreide, das sich unten in der Halle auftürmt. „Hier lagern jetzt etwa 1000 Tonnen Weizen“, erklärt Schick. In dieser Woche kam die letzte Lieferung. Wenn die Landwirte ihr Korn bringen, muss es schnell unter Dach und Fach, besonders, wenn Gewitter drohen. Der Weizen liegt in der Lagerhalle noch ungereinigt.

Von jeder Lieferung nehmen die Männer von der Labag eine Probe. Eine Maschine wertet die Qualität des Korns aus. Ein kurzes Rattern, dann leuchten die wichtigsten Werte auf dem Display auf: 10,2 Prozent Feuchtigkeit, 11,3 Prozent Protein. „Hm – gerade noch ein Brotweizen“, murmelt Schick. Über die geringe Feuchtigkeit kann sich die Labag zwar freuen, weil das angelieferte Getreide dann weniger wiegt und kostet. Landwirte hätten es gerne am Grenzwert von 14 Prozent. Doch am Eiweißgehalt mangelt es in diesem Jahr. „Weil kein Regen da war, konnte es die letzte Düngung nicht gut aufschließen.“ Die Probe, die er eben untersucht hat, ist damit zwar besser als Futterweizen, doch für die höheren Qualitätsstufen A-Weizen oder gar Eliteweizen reicht es nicht. Solches Supergetreide hat die Labag auch schon bekommen. Doch in diesem Jahr hat die Trockenheit die Qualität verschlechtert. Draußen steht ein Container, scheinbar voll mit Haferkörnern. Schick nimmt eine Handvoll, wie Papier raschelt das Getreide durch seine Finger. „Dass so viele Körner leer sind, habe ich bisher noch nicht erlebt“, sagt er. Zum Glück sieht es nicht bei jeder Lieferung so aus. Laut Labag-Chef Jürgen Häußermann war die Menge des in diesem Jahr geernteten Getreides überraschend hoch.

Zur Reinigung kommt das Korn ins Silo. Der knapp 40 Meter hohe Turm steht seit 1960 an der Rielingshäuser Straße, die Metalltanks kamen später dazu. Wenn die Laster und Traktoren ihre Ladung in die Getreidegosse gekippt haben, bringen Förderbänder und Elevatoren das Korn weit nach oben, auf den fünften Boden. Dort steht ein Windhaus, in dem es von Verunreinigungen wie Staub und Pflanzensamen getrennt wird. Dann geht die Reise weiter durch ein Reinigungssieb, in dem grober Schmutz und unerwünschte Körner hängen bleiben.

Durch ein ausgeklügeltes System aus Rohren landen Weizen, Gerste, Mais, Raps und Hafer dann im Silo. Rund 6000 Tonnen Getreide hat die Labag schon ausgefahren, dieselbe Menge ist noch gelagert. Bald geht das Korn an Mühlen, Großhändler, Brauereien und Tierfutterbetriebe, bevor es im Magen von Pferd und Schwein, als Brot oder im Bier seiner Bestimmung zukommt.

Zumindest theoretisch. Eine Studie der Universität Stuttgart zeigt: Jeder Bundesbürger wirft jährlich im Schnitt rund 80 Kilogramm Lebensmittel weg. Ein Teil davon liegt meterhoch im Hof der Labag: Ein Schaufellader ist gerade dabei, tausende Brote zu verladen. Eingepackte Toasts, halbierte Bauernlaibe – Schaufel für Schaufel landen die Lebensmittel in einem Laster. Ein brutaler Anblick. Labag-Chef Häußermann betont aber, die Brote würden im Lebensmittelkreislauf bleiben: „In NRW werden sie geschreddert und zu Tierfutter verarbeitet. Sogar die Plastiktüten werden recycelt.“ Doch das ändert nichts daran, dass auch die Labag gerade mit einem Preisverfall in der Branche kämpft. Vor drei Jahren betrug der Erzeugerpreis für eine Tonne Weizen noch 200 Euro, in diesem Jahr sind es weniger als 160. Laut Häußermann reicht das gerade aus, kostendeckend zu arbeiten. Er und seine Mitarbeiter hoffen, dass sich das bis in zwei Jahren wieder geändert hat.