Mit der Biegemaschine macht Natalie Lode das Grundgerüst des Sattels, den sogenannten Baum, biegsam. Foto: geschichtenfotograf

Natalie Lode übt einen seltenen Beruf aus: In Steinheim betreibt die Reitsportsattlerin ihre Werkstatt.

Steinheim - Cora darf mitmachen. Die Kakadu-Dame sitzt auf der Schulter von Natalie Lode. Während diese mit Ahle und Nadel einen Ledergurt repariert, piekt der Vogel in ihrem Pullover herum, als wolle er sie imitieren. Lode lacht und lässt es sich gefallen: „Das macht sie immer.“ Die Steinheimerin ist tierlieb – das sollte sie auch, denn sie ist Sattlerin. Reitsport-Sattlermeisterin, um genau zu sein. Erst in dieser Woche hat sie ihre Werkstatt von Ilsfeld nach Steinheim verlegt.

In der Gegend bieten nur wenige echte Sattlermeister Reitern ihre Dienste an: „In Hessigheim gibt’s einen, in Brackenheim und in Ellwangen. Das war’s glaube ich schon“, meint Lode. Ihre Warteliste ist daher ziemlich lang. Und beruflichen Nachwuchs gibt es in dem uralten Handwerk nicht viel: „Das Handwerk lernen vor allem Frauen. Reich wird man damit nicht; viele geben das Geschäft auf, wenn sie geheiratet und Kinder bekommen haben“, erzählt Lode. Und viele schulen um – zum Beispiel auf den besonders im Autoland Baden-Württemberg verbreiteten Fahrzeugsattler, der sich um Autositze und Cabrioverdecke kümmert.

Auch um Natalie Lode wuseln schon zwei Kinder herum. Doch sie hängt an ihrem Beruf. „Mir war schon immer klar, dass ich etwas machen will, das mit Pferden zu tun hat“, sagt sie. Nachdem sie bei einer Bekannten in das Handwerk hineingeschnuppert hatte, war es entschieden. Ursprünglich kommt sie aus Norddeutschland, doch für Ausbildung und Beruf ist sie nach Pirmasens und Nürnberg gezogen – und schließlich in den Kreis Ludwigsburg. „Wenn man in dem Handwerk wirklich etwas lernen will, muss man unter Umständen weite Wege auf sich nehmen“, meint sie. Die Sattlerwerkstatt, die sie jetzt nach Steinheim verlegt hat, hat sie vorher in Ilsfeld betrieben. „Dort hatte ich aber sehr wenig Platz“, erklärt sie. Ihre neue Arbeitsstätte war einmal ein Kälberstall. Doch mit all dem Werkzeug und Material, das herumsteht, passt ein Pferd nicht mehr hinein – vom schwierigen Transport ganz zu schweigen. Vorbeikommen und anprobieren geht also nicht – oft fährt Lode daher direkt zu den Kunden, um einen Sattel genau anzupassen. In ihrem großen VW-Transporter hat sie daher nicht nur bis zu 84 verschiedene Sättel dabei, sondern auch Werkzeug und Sattelpauschen.

In ihrer Werkstatt stehen echte Stücke Handwerksgeschichte. „Das Nähross aus Holz ist um die 200 Jahre alt“, meint Lode. Und die Schusternähmaschine gegenüber ist aus der Zeit des zweiten Weltkriegs. Als Lode die Maschine bekam, war das unschwer an Reichsadler und Hakenkreuz zu erkennen. Die Nazi-Insignien sind schon lange entfernt, doch die robuste Maschine tut nach wie vor ihren Dienst.

Eigene Sättel baut Lode mit all dem Werkzeug aber nicht mehr. Sie beschränkt sich auf den Vertrieb, die Reparatur und das Anpassen von Stücken größerer Hersteller. Es gibt Dressur-, Western-, Spring- oder Iberische Sättel. Billige Startersets gibt es schon für gut 100 Euro. „Meine Sättel kosten meist um die 1000 Euro“, erklärt Lode. Die Hersteller haben aber auch Luxusmodelle für bis zu 7000 Euro im Angebot. „Die sind dann komplett aus Kalbsleder oder mit Kristallen verziert“, meint Lode. „Also nichts, was man braucht, um besser zu reiten.“ Richtig passen sollte dafür jeder Sattel. „Wenn alles richtig sitzt, ist es für das Pferd leichter, sich darunter gut zu bewegen. Und der Reiter kann dann auch besser sitzen“, erklärt Lode.

Dafür ist unter Umständen etwas Anpassungsarbeit nötig. Etwa bei dem Sattel, der gerade auf die Biegemaschine gespannt ist. „Das Pferd der Kundin hatte einmal einen schweren Unfall. Dadurch hat es sich im Lauf der Zeit eine schiefe Schonhaltung angewöhnt – und auch der Sattel muss jetzt schief gepolstert werden“, erklärt sie. Außerdem hat das Tier am Rücken Muskeln abgebaut, daher muss der Sattel neu in Form gebracht werden. Wegen solcher Fälle hat Natalie Lode ihren Beruf gewählt: „Es ist faszinierend, immer wieder neue Pferd-Reiter-Paare kennen zu lernen. Es gibt nichts Schöneres, als einen Sattel aufzulegen, und die beiden haben plötzlich ihr richtiges Verbindungsstück gefunden.“