Der Vorstandsvorsitzende Karlheinz Unger erläutert im Gespräch mit der Leiterin der Lokalredaktion der Marbacher Zeitung, Karin Götz, das Konzept der Volksbank. Foto: Werner Kkuhnle

Voba-Chef Karlheinz Unger erklärt das Modell mit neuen Öffnungszeiten.

Bottwartal - Niedrigzins und Internetbanking: Der Wind ist für Genossenschaftsbanken rauer geworden. Die Volksbank Ludwigsburg schränkt die Öffnungszeiten ein, setzt aber weiter auf das bewährte Filialnetz. Hinter diesem Schritt steht Karlheinz Unger, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Ludwigsburg, der dies im Interview mit Karin Götz näher erläutert.

Herr Unger, Sie haben das Konzept für Ihre Filialen letzte Woche in Ihrer Vertreterversammlung präsentiert. Stoßen Ihre Pläne auf Akzeptanz oder auf Ablehnung?
Wir informieren unsere Kunden schon seit Längerem darüber, dass sich etwas ändert. Sie haben größtenteils Verständnis für unseren Plan, die Filialen zu erhalten und dabei die Öffnungszeiten zu konzentrieren. Die Bürgermeister habe ich vor drei Wochen persönlich informiert. Überall habe ich breite Zustimmung gefunden – wir sind ja mitunter die einzige Bank, die in den Orten noch da ist. Da sich unsere Servicezeiten in den Filialen aber ändern, muss der Öffentlichkeit genauer erklärt werden, worin unsere Motivation besteht. Im wesentlichen sehen wir den Erhalt der Filialen auch als Auftrag von unseren heute über 78 000 Mitgliedern den genossenschaftlichen Auftrag über eine Gewinnmaximierung zu stellen und sie deshalb nicht einfach aus Kostengründen zu schließen.
Was sind die Gründe dafür, dass Sie die Öffnungszeiten Ihrer Filialen reduzieren? Die Nachfrage im personenbedienten Service ist in den letzten Jahren um ungefähr 75 Prozent zurückgegangen. Früher waren die Schalterhallen voll, das hat sich gewandelt. Die Digitalisierung, also das Internet, stellt Banken vor neue Herausforderungen. Beispielsweise läuft die Bargeld-Versorgung heute größtenteils über Automaten. Durch einen Mitarbeiter Beträge auszahlen zu lassen, ist gar nicht mehr finanzierbar. Früher sind die Filialen auch über andere Geschäfte mitfinanziert worden.
Was hindert Sie daran, diese Finanzierung der Filialen aufrechtzuerhalten? Vor allem die EZB und die Politik. Im Unterschied zu anderen Banken haben Genossenschaftsbanken und Sparkassen mehr Einlagen ihrer Kunden als sie über Krediten rausgeben. Durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) haben jetzt aber genau die Banken Vorteile, die von der Kreditvergabe leben. Wir mit unseren höheren Spareinlagen haben folglich Nachteile.
Wie sehen diese Nachteile konkret aus? Wenn wir früher 500 Millionen Euro Kundeneinlage für drei oder vier Prozent verzinst bekamen, haben wir auch als Bank etwas verdient. Momentan bekommen wir als Bank 0,4 Prozent abgezogen, wenn wir das Geld unserer Kunden bei der EZB anlegen. Das bedeutet in der Konsequenz: Uns fehlen die Mittel, um die Filialen so wie bisher zu finanzieren.
Kundenverhalten und Niedrigzins zwingen Sie also zum Sparen? Richtig. Als dritter Punkt kommt noch hinzu: Die EZB geht davon aus, dass Deutschland „overbanked“ ist: dass es in unserem Land zu viele Bankfilialen gibt. Es fehlt damit meines Erachtens der politische Wille, das Filialwesen retten zu wollen. Das ist bedenklich.
Auf allen Banken lastet derzeit ein großer Druck. . . Das stimmt. Und deshalb geht es uns allen darum, Kosten zu sparen. Zwei Drittel davon sind Personalkosten. Ein Großteil davon liegt im Filialbereich. Deshalb steht jetzt die Frage an, ob wir als Volksbank kleine Filialen schließen sollten. Das hielte ich aber für den falschen Weg: Es gäbe keine Immobilie mehr, der Kunde hätte niemanden mehr, der ansprechbar wäre – und ein Automat würde auch fehlen. Trotzdem gibt es aktuell Empfehlungen vor allem kleinere Filialen zu schließen. Wenn ich als Vorsitzender auf Nummer sicher gehen wollte, würde ich mich einfach diesem großen Trend anschließen. Wir haben aber den Mut, Filialen zu erhalten, weil wir hoffen, dass unsere Kunden gerade dadurch erhalten bleiben und wir eine Kernkompetenz ausbauen, die uns Vorteile bringt. Es gibt ja auch tolle Beispiele, wo selbst große Digitalkonzerne auf Filialen setzen. Außerdem können wir so deutlich mehr Mitarbeiterstellen möglichst erhalten.
Durch die verkürzten Öffnungszeiten fallen aber doch Stellen weg? Die entscheidende Frage ist nicht: Wie viele Stellen durch unser Konzept wegfallen, sondern: Welche Alternativen gibt es und wie viele Stellen würden durch diese Alternativen wegfallen. Unsere Mitarbeiter stehen auch vor diesem Hintergrund voll hinter dem Konzept. Denn verglichen mit anderen ist unser Konzept für Mitarbeiter und Kunden das verträglichste.
Kommt es zu Kündigungen? Nein. Wir haben schon vor einigen Jahren begonnen, unseren Mitarbeiterstamm umzustrukturieren – das haben wir durch natürliche Fluktuation ohne Kündigungen betrieben. Es wird bei uns auch jetzt keine betriebsbedingten Kündigungen geben.
Wie sind die geplanten Öffnungszeiten zustande gekommen? Das haben wir vor Ort mit unseren Mitarbeitern geklärt: Wenn alle Kunden weiter so bedient werden wie bisher, wie lange müssen wir dann die Filiale öffnen? Unser Ziel ist, den Kundenverkehr zu konzentrieren. Dabei stellt sich uns die Frage: Wie bringen wir den Kunden dazu, zu einer Zeit zu kommen, in der wir da sein können? Früher konnte ein Kunde in der Zeit von 8 bis 16 Uhr einfach vorbeikommen – heute kann keiner nur auf die Kunden warten. Für Beratungen kann man unverändert zwischen 8 und 20 Uhr von Montag bis Freitag einen Termin vereinbaren, so wie wir es schon lange anbieten und wie es auch beim Friseur und bei Ärzten schon lange üblich ist.
Der Service wird also eingeschränkt, da gibt es nichts zu beschönigen. . . Die Zeit für personenbedienten Service wird konzentriert – richtig. Aber wir lassen die Immobilie vor Ort und bauen teilweise das Automatenangebot etwa für Einzahlungen noch aus. Und wir haben die Zeiten, in denen dort Beratungen stattfinden, nicht angetastet. Wenn Sie als Kunde eine Beratung wollen, können sie in die Immobilie hinein – das ist besser, als wenn dort nichts mehr wäre. Wir haben festgestellt: Die wenigsten Kunden wollen bei sich daheim einen Verkäufer sitzen haben. Dagegen funktionieren Telefon, Internet und dass der Kunde zu uns kommt.
Welche Veränderungen bringen die reduzierten Öffnungszeiten in den Filialen der Volksbank Ludwigsburg für Ihre Mitarbeiter mit sich? Wir können beispielsweise Team-Strukturen mit zwei Filialen bilden. So kann sich ein Team an zwei Tagender Woche um eine Filiale kümmern und an anderen Tagen um eine andere. So haben die Kunden der Volksbank ihren Ansprechpartner exklusiv für ihren Ort.
Was tun Sie außerdem, um dieses Miteinander zwischen Kunde und Berater zu festigen? Wir rüsten alle Filialen, auch kleine Standorte wie etwa Winzerhausen, Rielingshausen oder Kleinbottwar technisch auf und bieten zusätzliche Fachberatungen per Video. Jemand, der etwa nicht zum Spezialisten nach Ludwigsburg will, kann sich an einem Tag auch in Winzerhausen beraten lassen, wenn er eine spezielle Anfrage hat, wie etwa die, sein abbezahltes Haus mit einer Fotovoltaik-Anlage und Fördermitteln energetisch besser aufzustellen.
Sie setzen also stärker spezialisierte Berater über die Filialen mit Hilfe von Medien ein? Ja genau. Diese Spezialisten kennen sich auf ihren Gebiet sehr gut aus und werden vom Berater vor Ort hinzugezogen.
Gibt es Analysen zur Meinung der Kunden, ob sie sich eine Filiale im Ort wünschen?
Wir haben das ausgiebig untersucht und zum Beispiel 300 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 befragt. Unter ihnen herrscht eine Meinung, die uns auch etwas überrascht hat: Wir brauchen eigentlich keine Filiale zum Geldabheben. Aber wenn ich mal eine komplizierte Frage habe, Geld anzulegen, Altersvorsorge oder eine Baufinanzierung, dann möchte ich Beratung von einem Menschen. Ein Jugendlicher sagt sich: Ich habe 1000 Informationen, aber ich möchte zur Frau X oder Herrn Y auf die Filiale gehen, und die vermitteln mir ein Gespräch mit jemandem, der einen nicht über den Tisch zieht. So wollen Jugendliche Vertrauen erleben.
Und wie ist die Stimmung unter den Erwachsenen? Vor etwa zehn Jahren sagten 15 Prozent, sie bräuchten keine Filiale. Jetzt sind es zugegeben etwa 25 Prozent. Aber es gibt auch mehr Leute, die sagen, sie brauchen unbedingt eine Filiale im Ort. Zurückgegangen ist die Mitte, die auf beides setzt: Filiale und digitale Angebote. Um diese 75 % zu erreichen, die sich Filialen wünschen, setzen wir auf den Erhalt der Standorte und bauen zugleich den digitalen Bereich aus. Wir wollen beides miteinander zu verschmelzen und stellen zum Beispiel auch Mitarbeiter ein, die ein soziales Netzwerk pflegen können.
Woraus nährt sich Ihre Zuversicht, dass Filialen eine Zukunft haben? Wir haben schon viel schlimmere Zeiten erlebt – etwa nach der Lehman-Pleite und der Finanzkrise. Das war für die Banken viel schwieriger als die Niedrigzinsphase gerade. Das Entscheidende ist: Wenn Sie heute eine Filiale schließen, werden Sie das nicht mehr korrigieren können. Angenommen, der Nachfolger von EZB-Chef Dragi erhöht die Zinsen auf drei, vier Prozent. Dann kann es zu einer ganz anderen Situation kommen. Der Markt wäre nach der Filialschließung aber so gut wie verloren. So kann sich heute wohl kaum noch jemand daran erinnern, dass die Volksbank Marbach früher auch Filialen in Pleidelsheim oder Oberstenfeld hatte.
Wie lange haben Sie eigentlich schon an dem veränderten Filial-Konzept gebastelt: erst seitdem der Mitbewerber die Schließung von Filialen eingeleitet hat – oder schon früher? Die Bundesbank hat schon vor Jahren eine Umfrage unter den Banken gemacht. Das Ergebnis: Wenn die Situation stabil bleiben soll, müssen ein paar Dinge verändert werden, sonst bekommt man irgendwann ein Problem. Einen solchen Fünf-Jahres-Plan haben wir vor über drei Jahren begonnen. Wir haben ein Konzept aufgebaut mit externer Unterstützung. Im vergangenen Jahr gab es vier Monate lang eine Pilotphase mit den Filialen in Steinheim und Kleinbottwar, Sachsenheim und Metterzimmern sowie im Strohgäu.
Wie waren die Reaktionen der Kunden? Die ganz große Mehrheit war sich einig: Gott sei Dank bleibt ihr im Ort. Wir sehen, dass ihr nicht mehr so lange Öffnungszeiten habt, aber wir können damit leben. Eine genauso bewegende Reaktion kam aber aus Orten, in denen wir noch nicht pilotiert hatten, wo sich aber Wettbewerber zurückzogen. Ich bin mit Anfragen aus den Orten überschüttet worden. Bleibt ihr wirklich? Wir wollen es wagen und anpacken - im Endeffekt muss dafür aber auch jemand den Kopf hinhalten und die Verantwortung übernehmen.
Und das ist der Herr Unger? Ich bin mit meinen 43 Jahren Berufserfahrung als Banker hier im Landkreis der festen Überzeugung, dass es unsere Mitglieder und Kunden im Landkreis Ludwigsburg verdienen, dass unsere Filialen aufrechterhalten werden. Sollte meine Meinung falsch sein und die Menschen tatsächlich in Zukunft keine Filiale nutzen wollen, können wir aber immer noch irgendwann die Reißleine ziehen. Deshalb werden wir uns heute voll auf die Wünsche der Mehrheit unserer Mitglieder konzentrieren und die darin liegenden Chancen für die Zukunft unserer Bank nutzen.