Foto: Archiv (Kuhnle)

In manchen Altstädten entlang der Bottwar erlaubt der Hochwasserschutz keine Bautätigkeit mehr. Die Kommunen müssen für einen Ausgleich sorgen.

Bottwartal - Wer in potenziellen Überschwemmungsgebieten Haus, Garage und Co. errichten will, muss dafür einen adäquaten Ausgleich schaffen – sonst kann er sich das Projekt gleich abschminken. Eine Regelung, von der in Großbottwar die halbe Altstadt betroffen ist, wie der Bürgermeister Ralf Zimmermann unlängst feststellte. Der Vorsatz Innen- vor Außenentwicklung werde dadurch konterkariert, erklärte der Rathauschef (wir berichteten). Thomas Titze, Vorsitzender des Bundes der Selbstständigen in der Storchenstadt, kann auch deshalb nur den Kopf über das Gesetz schütteln. Zum einen werde so mal wieder der Entwicklungsspielraum der Kommune eingeschränkt, ärgert sich Titze. Zum anderen komme es einer Enteignung gleich, wenn man auf seinem Grundstück nicht mehr bauen könne. Nicht zu vergessen den Wertverlust, den das zur Folge habe.

Solche Klagen sind nicht nur in Großbottwar im Zusammenhang mit dem baden-württembergischen Wassergesetz laut geworden. Die Neuregelung habe generell „in der Praxis viele Fragen aufgeworfen“, teilt das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) mit. Deshalb habe man die wichtigsten Antworten nun gebündelt ins Internet gestellt. Unter anderem geht die Behörde da auch auf den Vorwurf ein, dass die Eigentümer quasi enteignet würden. Das RP verweist auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach dies nicht zutreffe. Stattdessen handle es sich bei der Einschränkung der Bebaubarkeit um eine sogenannte „Inhalts- und Schrankenbestimmung, die vom Eigentümer grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen ist“. Die Juristen verweisen darauf, dass das Bauverbot an die „natürliche Lage des Grundstücks an einem Gewässer und in dessen natürlichem Überschwemmungsgebiet“ anknüpfe. Insofern sei es nicht nur vernünftig, Restriktionen zu erlassen, sondern sogar geboten.

Das Regierungspräsidium macht ferner deutlich, dass mit dem Gesetz keineswegs in die kommunale Planungshoheit eingegriffen werde. Auch in diesem Punkt beruft man sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. „Kommunale Planungsentscheidungen sind nicht losgelöst von natürlichen Gegebenheiten, sondern müssen sich daran orientieren. Hochwasserschutz ist eine Aufgabe von überörtlicher Bedeutung und soll Schutzgüter von hohem Rang bewahren“, erklärt das RP.

Festgezurrt wurde auch, dass Kommunen in Überschwemmungszonen keine neuen Baugebiete ausweisen dürfen. Das sei nur ausnahmsweise und unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich. Chancen, das Verbot zu umgehen, können sich zum Beispiel Kommunen ausrechnen, die sich sonst siedlungstechnisch gar nicht mehr entwickeln könnten – weil sich die gesamte Gemarkung in einem Hochwassergebiet befindet oder die Topografie nur an einer ganz bestimmten Stelle eine Erweiterung erlauben würde.

Spielräume ergeben sich für Kommunen und Bürger immer dann, wenn für einen entsprechenden Ausgleich gesorgt wird. Das kann unter anderem über die Herstellung von Auenbereichen, die Schaffung von Flutmulden oder die einfache Abgrabung von Flächen im Überschwemmungsgebiet erfolgen. Entscheidend ist immer, dass der Rückhalteraum für das Wasser, den man durch ein Bauwerk verringert, an anderer Stelle in angemessener Weise wieder zur Verfügung gestellt wird.

Von solchen Vorschriften wird Großbottwar erst dann nicht mehr eingebremst, wenn alle sechs geplanten Hochwasserrückhaltebecken im Bottwartal realisiert sind. Denn die schützen auch vor Flutkatastrophen, wie sie statistisch gesehen nur alle 100 Jahre vorkommen. „Dann haben wir Ruhe“, sagt auch Volker Wanner, Bauamtsleiter in Oberstenfeld. „Bei uns ist es aber nicht so gravierend wie in Großbottwar“, betont er. Das Ortszentrum liege weiter weg vom Fluss und außerdem höher. Manche Flächen seien jedoch in Oberstenfeld durchaus betroffen – oder betroffen gewesen. So zum Beispiel der Bereich, wo jetzt ein Edeka steht. „Das ist ein Fall, da hatte die Regelung konkreten Einfluss“, erzählt Wanner. Um hier überhaupt bauen zu können, hätte man eigentlich einen Ausgleich schaffen müssen, erklärt er. Mit den neuen Becken am Hasenbach sei aber eine Neuberechnung der möglichen Überschwemmungsflächen erfolgt – und der Weg für das Projekt war plötzlich doch frei.