Im Bottwartal gibt es viele lohnenswerte Ziele für einen Motorradausflug. Foto: Werner Kuhnle

Für die MZ-Sommerserie „Mein Tag im Bottwartal“ hat Redakteur Dominik Thewes das Motorrad gesattelt.

Bottwartal - So ein Mist! Das ist einer von vielen Gedanken – allerdings der einzig zitierfähige –, die mir im Moment durch den Kopf schießen. Gerade als ich das Motorrad aus der Garage ziehe, fängt es aus Küblen zu gießen an. Die Dusche wird dem Fahrzeug nicht schaden. An dem klebt ohnehin noch der Staub der Dolomiten-Rundfahrt von vor zwei Jahren. Nur der Fahrer ist in der Zwischenzeit etwas verweichlicht. Galt es früher noch zu touren um jeden Preis, gewinnt heute das Sofa an zu heißen Tagen schnell die Überhand. Genauso wie an zu nassen, zu sonnigen, zu windigen, zu nebligen, . . . na ja, so gut wie an fast allen Tagen eben.

Vielleicht war ja der Selbstversuch, das Bottwartal einen Tag lang mit dem Motorrad zu erkunden, nicht meine stärkste Idee. Schon als ich es vor Wochen in der Redaktionskonferenz vorschlug, kommentierte der Kollege aus der Sportredaktion nur lakonisch: „Und was machst du die restlichen 23,5 Stunden?“

Du wirst schon sehen, dachte ich mir damals noch trotzig. Das Bottwartal hat bestimmt deutlich mehr Kurven zu bieten, als der durchschnittliche Umgehungsstraßenfahrer vermutet. Und ich würde ihnen auch an den Rändern des Verbreitungsgebietes nachspüren. Schließlich zählt eine Fahrt in der Gegend ohne Abstecher zur Löwensteiner Platte wohl kaum als Motorradtour!

Doch kaum werfe ich den Motor an, bin ich bald derjenige, der zusehen muss – nämlich schnell einen trockenen Unterstand zu finden. Leisten kann ich mir den Luxus einer Pause allerdings nicht, weil ich zum Fototermin in Kleinbottwar erwartet werde. Also flugs aus Richtung Stuttgart kommend über die Autobahn, runter bei Pleidelsheim, dort die Abzweigung nach Mundelsheim genommen, den Blinker rechts gesetzt – und gleich wieder ausgeschaltet. Mit den Sommerferien hat der alljährliche Bauwahn begonnen. Kein Durchkommen nach Höpfigheim, um die schöne Route zum Treffpunkt zu nehmen. Stattdessen geht es – was zweifelsohne auch hübsch ist – durch Mundelsheim und – was zweifelsohne weniger hübsch ist – wieder hoch zum Autobahnzubringer. Lastwagen sprühen mir die Gischt aufs Visier. Die viel besungene Freiheit auf zwei Rädern gerät auf einmal ganz schön ins Wanken.

Doch der erste Sichtkontakt zur Burg Lichtenberg verheißt Gutes. Reißt da etwa der Himmel auf? Hoffentlich, denn ich weiß, dass irgendwo hinter dem sehenswerten Gebäude aus dem 12. Jahrhundert heute noch ein besonderes Highlight auf mich wartet. Ein paar Kurven später komme ich am Treffpunkt an.

„Pass auf, du drehst ein paar Runden im Storchenkreisel, das wird ein klasse Bild!“ Der Enthusiasmus meines Kollegen und Fotografen Werner Kuhnle für sein ausgewähltes Motiv freut mich. Ich gehe es allerdings etwas verhaltener an. Nach etwa der fünften Runde im Kreis, weiß ich warum. So muss sich alkoholisiert fahren anfühlen, eine Erfahrung, die ich bisher aus gutem Grund vermieden habe. Positiv fällt mir auf, dass es mir selten so leicht fiel, für die Kamera zu posieren. Gute Sache, so eine Schutzhelm!

Nachdem die Pflicht erfüllt ist, geht es zur Kür – und das kann nur eine Bockwurst auf der Löwensteiner Platte sein – dem Zweiradparadies in der Umgebung. „Zu uns kommen sie aus allen Richtungen“, sagt Uli Beimann, der sich an diesem Tag in dem Kiosk um das Wohl von Zwei- und Vierradfahrern kümmert. Erst am Tag zuvor habe ein Holländer Kraft getankt, bevor er seine Reise in die Heimat fortgesetzt habe. „Und eine Gruppe aus Hamburg schaut regelmäßig bei uns vorbei.“ Gerade biegt lokale Politikprominenz auf den Parkplatz ein. Der Löwensteiner Bürgermeister Klaus Schifferer genießt in seiner Mittagspause den Ausblick über den Ort. Bei guter Sicht ist sogar der Katzenbuckel zu sehen, der höchste Berg des Odenwaldes.

Apropos Gipfelstürmer. Da war doch noch etwas. „Tschüss Uli!“, ich muss noch zum Kräftemessen mit den Besten. Es war der 4. Heilbronner ADAC-Bergpreis, aber der erste, der am 20. und 21. April 1968 zwischen Gronau und Prevorst ausgetragen wurde. Vor unglaublichen 10 000 Zuschauern fuhr der Reutlinger Helmut Leuze mit seinem Porsche Carrera 906 als Gesamtsieger ins Ziel. Erst beim 6. Rennen waren dann auch Solomotorräder und Seitenwagen zugelassen. Mit gebührendem Respekt bewege ich die Maschine also auf geschichtsträchtigem Grund. Durchschnittsgeschwindigkeiten um die 100 Kilometer haben die waghalsigen Fahrer damals am Ende der Bergprüfung auf der Nadel gehabt. Glücklicherweise blieben sie in all den Jahren von schweren Unfällen verschont. Von solchen Zahlen jedoch bin ich weit entfernt. Die faszinierende Energie, die sich einstellt, wenn Mensch und Maschine harmonieren, spüre ich dennoch. Wäre das Wetter freundlicher, wäre ich auf den rund fünf Kilometern sicher noch länger zu Gange.

Und trotz dieser Liebe zum Zweirad verstehe ich die Gründe, die 1983 dazu geführt haben, dass die Bergrennen in dieser sensiblen Umgebung eingestellt wurden. Das voranschreitende Waldsterben war inzwischen sichtbar und nicht mehr wegzudiskutieren. Die öffentliche Meinung hat sich gegen diese Form des Motorsports gewandt. Damals war es eine gesetzlich erzwungene Vernunft, die Motorsportler in der ganzen Republik ausgebremst hat. Heute haben es Zweiradfahrer selbst in der Hand. Wenn sie weiter hochtourig und damit übermäßig laut durch die dicht besiedelte Landschaft fahren, werden immer mehr Straßen am Wochenende tabu für sie sein. Auch die Strecke bei Löwenstein stand und steht in der Kritik. „In Hirrweiler hatte sich eine Bürgerinitiative gegründet“, berichtet der Bürgermeister und passionierte Motorradfahrer Klaus Schifferer. Das Thema Sperrung der Straße scheint aber vom Tisch, „auch wenn uns Fahrern ja doch selbst klar ist, dass der ein oder andere Biker nicht immer einsichtig fährt“.

Wer sich hingegen zurücknehmen kann und offen auf die Menschen zugeht, der wird auch freundlich empfangen. Wie ich von den drei älteren Herrschaften, die auf einer Bank in Prevorst Platz genommen haben. „Wir machen Urlaub ohne Koffer“, berichtet mir einer. Ob er sich an die Bergrennen erinnern könne, frage ich ihn. Die Augen der Drei beginnen zu leuchten, als die Erinnerungen an Blech gewordene Träume wie den NSU Prinz 1000 TT wach werden.

Während wir im Gespräch sind, fallen erneut erste Regentropfen und ich beschließe, die Tour abzukürzen. Doch um Spötter zum Schweigen zu bringen: Wer das Bottwartal mit dem Motorrad entdecken will, sollte mehr Zeit als 30 Minuten einplanen.