An den Obstbäumen hat die Kälte Schäden angerichtet. Foto: privat

Der nächtliche Frost hat Blüten in Weinbergen und auf Obstwiesen zerstört.

Wetter Zwei Nächte, die es in sich haben, liegen hinter Weingärtnern und Obstbauern im Raum Marbach und im Bottwartal. Immerhin lagen die Temperaturen zwischen Stuttgart und Heilbronn in Bodennähe bei minus fünf bis minus sechs Grad, berichtet Kai-Uwe Nerding, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Stuttgart.

Insgesamt sei ein solcher Kälteeinbruch im April „nicht ungewöhnlich“, erklärt Nerding. Die polare Luft aus dem Norden wirke in diesen Tagen jedoch besonders stark, da es am Himmel keine Wolken gebe, welche die warme Luft des Bodens zurückreflektierten. „Es entweicht also mehr Strahlungswärme in Richtung All“, sagt der Meteorologe. Für die Weingärtner und Obstbauern bedeute dies natürlich erschwerte Bedingungen. „Wir haben dazu heute schon einige Anrufe bekommen.“ Vor allem Erdbeeranbauer wollten wissen, woran sie sind. Wenn es Wolken geben würde – wonach es aber für die Nacht auf Freitag nicht aussehe – könnte dies einen Temperaturunterschied von einigen Graden ausmachen. „Wir hatten etwa in der Nacht auf Mittwoch, als es noch wolkig war,  plus zwei Grad zwischen Stuttgart und Heilbronn.“

Die Frage, ob es aufgrund der weltweiten Klimaerwärmung zu immer früheren Blüten komme, beantwortet Kai-Uwe Nerding mit einem klaren Ja: „Es gibt sicher die Tendenz, dass sich  der Blütebeginn  nach vorne verschiebt.“ Allerdings sei unklar, inwieweit der Mensch für dieses Problem verantwortlich ist. Dass es bis Mitte Mai, also bis zu den Eisheiligen, noch zu Schneefällen kommen kann, sei erwiesen.

Wein Der Schreck sitzt tief bei den Winzern, da der Frost die Blüten über Nacht zerstört hat.  „Das ist totaler Mist“, sagt Felix Graf Adelmann, Weingutbesitzer in Kleinbottwar, am Donnerstagmorgen gegen 10 Uhr. „Ich schaue auf die braunen Magnolienblätter, die am Boden liegen – und so   ungefähr sieht es auch bei uns in den Weinbergen  aus.“  Er sei kein Fan davon, die Dinge schwarzzumalen, aber es sehe alles andere als gut aus. Der erste Eindruck Adelmanns bestätigt sich im Laufe des Tages. „Die Schäden sind beispiellos“, sagt er um 14 Uhr. Bis hinauf in die hohen Lagen, wo um sieben Uhr morgens noch -1,5 Grad Celsius herrschte,  immer wieder dasselbe Bild: „Ich fasse an die braunen Knospen und sie zerbröseln – es ist alles tot.“ Letzte Hoffnung seien die Beiaugen, vor allem bei den Burgundersorten. Er hoffe, sie überstehen die nächste Frostnacht auf Freitag. Davon werde abhängen, wie hoch der Gesamtschaden sei. „Kollegen haben von 65 bis 70 Prozent gesprochen“, erzählt Adelmann, der meint, auch die Luft mit Hubschraubern umzuwälzen, hätte nichts gebracht. „Es fehlte einfach an warmen Luftschichten.“ Nachhaltig  sei das ohnehin nicht.

Die April-Kälte hat auch im oberen Bottwartal zugeschlagen. „Der Lemberger ist am weitesten – dort sind die Schäden am größten“, beobachtet Bernd Gemmrich, Weinbauer in Beilstein. Weniger betroffen seien Riesling und Burgundersorten. „Die Lage spielt auch eine Rolle: In den Tälern, je weiter es nach unten in die Nähe der Häuser geht, kann die Kaltluft nicht abfließen – dort sind am meisten Blüten erfroren“, erzählt der Winzer. In oberen Lagen, wie etwa in Klingen und Billensbach, hielten sich die Schäden dagegen in Grenzen. Das betreffe insbesondere den Trollinger. Mit Wasser die Blüten die ganze Nacht lang  zu beregnen, wie es Kollegen machen, um die Kristallisationswärme auszunutzen, ist für Bernd Gemmrich keine Option. „Wenn einem da mitten in der Nacht das Wasser ausgeht, bildet sich ein Eispanzer und man erreicht das Gegenteil.“

Obst Geknickt ist Jens Eisenmann, Obstanbauer in Rielingshausen. „Alles, was wir nicht abgedeckt oder beregnet haben, ist kaputt“, sagt er am Donnerstagvormittag angesichts von Temperaturen, die in der Nacht  bei minus sieben und minus acht Grad lagen. Und das ist das meiste: Denn nur 20 Prozent der Äpfel und 30 Prozent der Kirschen habe er durch die Berieselung in der Nacht retten können. Einen Totalausfall werde es bei den Zwetschgen geben. Einziger Lichtblick angesichts des Frostes: „Die meisten unserer Erdbeeren wachsen unter der Folie – hier ist kaum etwas zerstört worden.“

Die Sorge von Jens Eisenmann gilt der folgenden Nacht von Donnerstag auf Freitag. Dann soll es wieder frieren. „Wir hoffen, dass das Wasser noch für eine weitere Nacht reicht.“

Auf dieses Mittel können die etwa 350 Besitzer von Streuobstwiesen im Steinkauz-Projekt im oberen Bottwartal und im Landkreis Heilbronn nicht zurückgreifen, erklärt Walter Rau, Vorsitzender des Vereins. „Je nördlicher, desto schlimmer“, lautet sein erstes Fazit. In Beilstein habe er minus drei Grad gemessen, „das ist grenzwertig“. Er rechne mit sehr großen Ausfällen, da frühe und späte Sorten in diesem Jahr gleichzeitig blühten. Nicht ganz so schwarz sieht es Bernd Gemmrich, der Obst in Beilstein anbaut: Späte Sorten wie der Bittenfelder oder Gewürzluiken wären noch nicht so weit, wohl aber  Birnen und Kirschen.