Walter Kubach (rechts) hat mit dem Linken-Parteichef Bernd Riexinger die Redaktion besucht. Foto: Avanti

Der Linken-Parteichef Bernd Riexinger will keine „Weiter-so-Politik“. Beim Redaktionsbesuch fordert er mehr soziale Gerechtigkeit.

Bottwartal - In der Reihe unserer Redaktionsgespräche zur Bundestagswahl geht es weiter mit dem Linken-Bundesparteichef Bernd Riexinger, der mit dem Wahlkreis-Kandidaten Walter Kubach zu Gast war.

Karin Götz: Wird die Linke wieder drittstärkste Kraft oder löst die AfD sie darin ab?
Bernd Riexinger: In den meisten Umfragen sind wir vor allen anderen Parteien außerhalb der großen Koalition. Ich bin optimistisch, dass das so bleiben wird. Wir haben das klare Ziel, drittstärkste Partei und bundesweit zweistellig zu werden sowie in Baden-Württemberg über fünf Prozent zu kommen.
Julia Spors: Was macht Sie optimistisch?
Riexinger: Trotz allem Schulz-Hype und Wieder-weg-von-Schulz-Hype sind wir stabil geblieben. Wir haben einen sehr guten Zulauf von jungen Leuten, insbesondere in den Städten, und haben keinerlei Erschütterungen. Die Leute können in Baden-Württemberg ganz befreit Wahl-O-Mat machen – und dann kommt Linke heraus.
Götz: Inwiefern sehen Sie sich als Gegenentwurf zur Politik von Angela Merkel?
Riexinger: Wir sind wirklich das Gegenprogramm zu Merkel. Bei allen zentralen Fragen verkörpert sie eine Politik des „Weiter-so“. Die SPD hat sich mit Schulz mehr oder weniger dafür entschieden, eine Variante von Merkel zu sein, was ich sehr bedauere. Wir sagen dagegen in unserem Programm klar, wofür wir sind – und nicht nur, wogegen wir sind.
Götz: Da haben Sie dazugelernt?
Riexinger: Die Wähler wollen genau wissen, was die Linke zu bieten hat. Wir können sagen, eine Verkäuferin bekommt nach unserem Steuerkonzept 130 Euro mehr raus – oder ein Facharbeiter 210 Euro. Schauen Sie sich den Steuer-O-Mat an. Oder bei der Rente können wir sagen: Die Leute kriegen durchschnittlich 130 Euro mehr. Und wir können eben auch sagen, wie wir es finanzieren. Das macht den Unterschied zu allen anderen Parteien aus.
Götz: Gibt es eigentlich den klassischen Linken-Wähler?
Riexinger: Überdurchschnittliche Wahlergebnisse haben wir vor allem in drei Gruppen. Einkommensschwächere wählen uns mehr als Einkommensstärkere. Wir haben einen großen Anteil bei jungen Wählern, meistens mit einem akademischen Hintergrund, in Städten und Ballungszentren. Wir haben auch viele Wähler in sozialen Brennpunkten, wo Einkommensschwächere leben. Wir konzentrieren uns stark auf die ganz normalen lohnabhängigen Beschäftigten.
Götz: Wie stark wird die AfD bei der Bundestagswahl sein?
Riexinger: Es gibt eine Chance, dass sie über ihr engstes Stammklientel nicht hinauskommt. Die AfD hat sich selbst entzaubert: einerseits bei den Konservativen, die sagen: „Das ist mir zu rechtsextrem“. Weil die AfD nicht davor zurückscheut, mit Neonazis gemeinsame Sache zu machen. Und auch bei Menschen, die meinen, es geht nicht sozial gerecht zu, hat sich die AfD selbst entzaubert. Sie hat nichts zur Rente zu sagen, sie macht nur mit zugekniffenem Mund beim Mindestlohn mit, bei der Steuer würde sie sogar die Reichen mehr entlasten als die anderen. Bei den öffentlichen Investitionen verhält sie sich neoliberal und ist auf FDP-Kurs.
Götz: Was sind die Themen, die die Menschen auf der Straße derzeit bewegen?
Riexinger: Die Klassiker sind natürlich Rente und prekäre Arbeit und die Steuerpolitik. Was auch dazukommt, ist das Wohnen. Die Mieten schießen überall durch die Decke. Ganz viele Leute können sich das Wohnen nicht mehr leisten. Da haben wir ein gutes Konzept mit sozialem Wohnungsbau und Mietpreisbremse. Hier hat die Landesregierung völlig versagt. Es ist unterirdisch, wie wenig in den sozialen Wohnungsbau investiert wurde. Es dämmert etwa in Stuttgart, dass es durch den Dieselskandal einen großen Umbau geben wird, der die Industrie betrifft.
Götz: Hohe Mieten sind auch in Marbach ein Thema. Kann man die Mietpreisbremse, die der SPD-Minister Heiko Maas verkündet hat, vergessen?
Riexinger: Ja. Sie hat viel zu viele Ausnahmen und erlaubt bei Neuvermietungen Steigerungen von zehn Prozent über die ohnehin schon zu hohen Vergleichsmieten. Das ist mehr als die Inflationsrate. Man müsste nicht nur eine Mietpreisbremse, sondern eine Mietpreisobergrenze vorschreiben. Ziel müssten Mieten sein, die niedriger sind als jetzt. Das hat aber nur Sinn, wenn man es mit einem anspruchsvollen Programm für den sozialen Wohnungsbau kombiniert.
Götz: Welche Rolle spielt dabei die öffentliche Hand?
Riexinger: Wir sagen die öffentliche Hand muss bauen oder kaufen. Es reicht nicht, über private Steueranreize Sozialwohnungsbau zu betreiben, wo dann in einem großen Gebäude vielleicht nur eine Sozialwohnung eingesetzt wird, die dann nach 15 Jahren auch noch ihre Sozialbindung verliert. Das Problem ist, dass viele Sozialwohnungen derzeit aus dieser Bindung herausgenommen werden für Mieter mit höherem Einkommen. Wir verlieren 50 000 Sozialwohnungen jährlich, bräuchten aber mindestens 250 000 neue pro Jahr.
Götz: Wie kommt man von dem hohen Miet-Niveau runter?
Riexinger: In Berlin gibt es Bezirke, in denen die echte Mietpreisbremse ausgewiesen ist. Dort funktioniert es, es ist Senatspolitik, seitdem die Linke in der Regierung ist. Die Wohnungsbausenatorin geht da ganz entschieden vor. Es ist da auch nicht erlaubt, einen Balkon und eine Einbauküche einfach reinzusetzen, damit man hinterher die Miete erhöhen kann. Da muss man stark regulieren. Natürlich kann man auch billiger bauen, aber im Kern muss man beim sozialen Wohnungsbau klotzen. In Baden-Württemberg brauchen wir mindestens 50 000 neue Wohnungen, davon müssten 25 000 Sozialwohnungen sein.
Kubach: Wir haben dem Landkreis Ludwigsburg vorgeschlagen, eine soziale Wohnungsbaugesellschaft zu gründen. Das wäre wirklich ein Beitrag zu einer allmählichen Entlastung des privaten Marktes gewesen.
Götz: Die Angst der Kommunen, selbst als Bauherr aufzutreten, ist sehr, sehr groß.
Kubach: Das hat vor 20, 30 Jahren auch funktioniert. Dann hat man in allen Bereichen neoliberale Politik gemacht.
Riexinger: Wenn man Wohnungsbaupolitik für die gehobene Mittelschicht macht, dann bleiben alle anderen, selbst die normale Mittelschicht, auf der Strecke. Aus eigenem verdienten Geld kannst du ja nichts mehr kaufen. Die Wohnungspreise auf dem Markt hier im Raum sind so hoch – früher konnte sich ein Arbeiter, wenn er sich ein bisschen am Riemen reißt, eine Eigentumswohnung leisten. Das ist heute nicht mehr möglich. Der Markt funktioniert nicht mehr, weil mit Wohnungen extrem spekuliert wird. Am meisten verdient der, der Eigentumswohnungen im Luxussegment baut. Und viele Kommunalpolitiker wollen die Gutverdienenden bei sich wohnen haben und nicht die, die kämpfen müssen. Das ist aber die Mehrheit: Selbst der Facharbeiter kann sich nicht mehr ohne Weiteres eine Wohnung in diesem Preisniveau leisten.
Götz: Kommen wir zum Dieselskandal. Wird es ein Aus für diese Autos geben?
Riexinger: Vielleicht auf lange Sicht. Erst mal geht es darum, dass eingehalten wird, was der Autoindustrie gesetzlich vorgeschrieben ist. Das ist schon seltsam – auch für einen Grünen-Ministerpräsidenten –, dass er von einem Gericht dazu gezwungen werden muss, dafür zu sorgen, dass die Grenzwerte für die Luftreinheit eingehalten werden, die er als Gesetzgeber selbst verabschiedet hat. Es ist auch seltsam, dass die politisch Verantwortlichen sagen: Wir tolerieren eine Überschreitung der Abgaswerte um das Vierfache. Das ist einfach unfassbar. Es wäre das Mindeste, dass man von der Autoindustrie verlangt, dass die Nachrüstung so erfolgt, dass die Abgaswerte eingehalten werden. Das würde teurer werden als die Softwareupdates – aber kein Automobilkonzern hat unter acht Milliarden Euro verdient im vergangenen Jahr.
Götz: Was halten Sie von E-Fahrzeugen?
Riexinger: Die Grünen setzen wie die SPD auf Elektromotorisierung. Aber aus ökologischen Gründen ist das nicht unproblematisch. Die Batterieproduktion ist sehr, sehr unökologisch. Der ökologische Rucksack einer Automobilbatterie ist so groß, wie wenn du sieben Jahre Diesel fährst.
Götz: Was wäre eine wirksame Alternative?
Riexinger: Ich würde stärker auf Mobilitätskonzepte setzen. Du kannst die Städte und Ballungsräume nicht weiter mit Autos zupflastern, egal ob diesel- oder elektrobetrieben. Die kommen ja alle nicht mehr vorwärts, zumal der Ressourcenverbrauch nicht nur durch Antrieb geschieht. Ein Auto braucht 40 Tonnen Rohstoffe. Wir sollten stattdessen intelligente Mobilitätskonzepte anstreben und auch die Produktion frühzeitig umstellen. Man kann etwa auch fahrerlose Autos bauen, dann kannst du vernetzte Verkehrssysteme entwickeln, in denen du Individualverkehr und ÖPNV optimal miteinander verknüpfst. Das wäre schlauer, als wenn man nur eine Entwicklungswelt fortsetzt und nur die Antriebsform ändert.
Götz: Aber bei den fahrerlosen Autos steckt man noch in den Anfängen.
Riexinger: Es gibt viele Städte und Regionen, die viel weiter mit dem ÖPNV sind als wir. Schauen Sie die Schweden an in Stockholm oder andere. Wir sind da wirklich Entwicklungsland. Im Raum Stuttgart gibt es den meisten Autoverkehr, und der Öffentliche Nahverkehr ist am meisten überlastet – obwohl wir einen Grünen-Ministerpräsidenten und einen Grünen-Oberbürgermeister haben. Das ist doch, ehrlich gesagt, eine Schande für die Politik. Da musst du doch den ÖPNV ausbauen und billiger machen. Da sind seit Jahren Versäumnisse.
Kubach: Man könnte relativ schnell Fortschritte bei den Autos machen, indem man von der Industrie verlangt, nicht nur ein Update bei der Software zu machen, sondern auch die Autos umzubauen.
Riexinger: Das wäre auch ein gigantisches Konjunkturprogramm, wenn man die Diesel wirklich so umrüsten könnte, dass sie alle „umweltfreundlich“ sind. Da muss man der Autoindustrie empfindlich auf die Pfote hauen und sagen: Das zahlt nicht der Staat, sondern ihr, denn ihr habt super Gewinne gemacht. Das wirkt sofort. Und das Zweite: Elektromobilität kann nur dann wirklich ökologisch werden, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen kommt. Da haben wir noch einen weiten Weg vor uns, wenn in Deutschland 40 Millionen Pkw Öko-Strom tanken sollen. Es besteht die Gefahr, dass Elektromobilität eine Sache für die Reichen wird.
Götz: Steht die Politik der Automobilindustrie zu nah?
Riexinger: Es ist unmöglich, dass Politiker sich als Lobbyisten der Automobilindustrie betätigen. Da brauchen Sie ein distanziertes Verhältnis. Unser Vorschlag: Die Parteien CDU, SPD, FDP und Grüne haben 650 000 Euro Spenden von der Automobilindustrie bekommen. Die sollen sie in einen Umweltfonds spenden, um nachhaltige Verkehrskonzepte zu unterstützen.
Spors: Der Ausbau des ÖPNV-Netzes ist sicher nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen. Die AfD verspricht, dass Dieselfahrzeuge bis 2050 betrieben werden dürfen. Ist das richtig?
Riexinger: Die AfD verneint ja auch die Klimaerwärmung. 95 Prozent aller Wissenschaftler sagen, dass wir massiv unsere Emissionen zurückdrehen müssen, da wir sonst eine Erderwärmung zwischen zwei und vier Prozent oder sogar mehr bekommen. Das hätte dramatische Auswirkungen. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Wenn jemand eine Diesel-Garantie bis 2050 verspricht, ist das nicht ernst zu nehmen, gerade weil ringsum in Europa klare Ausstiegsstrategien verfolgt werden. Die Elektromobilität ist ein Weg zur Senkung der Emissionen, aber sie wird nicht der einzige sein.
Götz: Der Umstieg auf ÖPNV würde aber auch ein Umdenken in den Köpfen der Bürger voraussetzen.
Kubach: Das geht ganz schnell. Das Feinstaub-Ticket für die Hälfte des Fahrpreises hat unheimlich gewirkt. Die Leute steigen ganz schnell um.
Spors: Es ist trotzdem alles noch zu teuer.
Kubach: Wenn man es billiger macht, wirkt es ganz schnell.
Riexinger: Unsere Perspektive ist ein ticketfreier Nahverkehr.
Götz: Das muss aber auch finanziert werden. Es klingt immer toll, wenn etwas nichts oder nur wenig kosten soll.
Riexinger: Es ist machbar. Rechnet man die Kosten für die Umweltbelastung dazu, ist das jetzige System viel teurer. Man könnte auch eine höhere Nahverkehrsumlage einführen, bei der jeder zehn Euro mehr bezahlt, dann könnten Sie das auch locker finanzieren. Es gibt solche Konzepte und es gibt Städte, die einen ticketfreien Nahverkehr haben. Hier sind die Fahrpreise extrem hoch, und es wird viel zu wenig in diesen Bereich investiert. Man müsste auch im ländlichen Bereich den Busverkehr verstärken: Da müssen die Menschen stundenlang darauf warten, bis der nächste Bus fährt und nach 20 Uhr fährt oft nichts mehr. Ein Umdenken ist bei der jungen Generation zu beobachten: Als ich 18 Jahre alt wurde, war das Auto mit Freiheit verbunden. Unsere Tochter mussten wir überreden, den Führerschein zu machen. Sie sagt: „Auto – das ist doch eine aussterbende Art.“ In der Stadt bevorzugen junge Leute eine Mischung aus ÖPNV, Fahrrad und Fuß. Das klappt bei den meisten ziemlich gut.
Kubach: Die Zabergäubahn und die Bottwartalbahn sind zukunftsweisende Projekte. Es ist eine Katastrophe, dass man die bestehende Strecke nach Untertürkheim nicht nutzt. Da könnte man sofort Züge fahren lassen – dann müssten nicht mehr so viele Leute nach Stuttgart hineinfahren und könnten umsteigen. Stattdessen baut man Stuttgart  21 für zehn Milliarden Euro. Was für ein Schwachsinn: Andere Regionen konzentrieren sich auf den Ausbau des Nahverkehrs.
Riexinger: Man kann sich nicht nur auf die Elektromotorisierung konzentrieren. Im E-Auto sind nur noch ein Bruchteil der Komponenten enthalten. Dadurch würden viele Arbeitsplätze in der Autoindustrie wegfallen. Ein neues Mobilitätskonzept würde auch bedeuten, über die Art der Arbeitsplätze neu nachzudenken.
Oliver von Schaewen: Wie können die Arbeitsplätze der Autoindustrie in der Region erhalten werden?
Riexinger: Man braucht das Mobilitätskonzept. Damit verbunden ist noch mehr. Digitalisierung des Verkehrs, Verknüpfung. Sie werden über eine längere Zeit das Auto nicht einfach abschaffen können. Es wird, umso mehr Sie in den ländlichen Bereich kommen, noch gebraucht. Sie brauchen mehr Taxen und mehr Busse. In der Übergangsphase könnte es sogar neue Arbeitsplätze geben.
Götz: Fällt nicht bei der breiten Masse der Arbeitsplätze in der Autoindustrie dann doch etwas weg, etwa bei den Fließbandarbeitern?
Riexinger: Das ist die Aufgabe der Industriepolitik. Die Unternehmen müssen in die Weiterbildung investieren, dass der Strukturwandel rechtzeitig gesteuert wird. Es wird weniger Arbeitsplätze geben, aber das müssen Sie mit Arbeitszeitverkürzung ausgleichen, in Richtung 30-Stunden-Woche.
Götz: Andere denken darüber nach, dass man erst mit 70 in die Rente geht.
Riexinger: Das sind Verrückte. Die gab’s schon immer. Das sind Leute, die nicht nachvollziehen können, dass eine Krankenpflegerin schier Rollschuhe anziehen muss, um von Patient zu Patient zu kommen. Oder dass eine Erzieherin mit 70 noch in der Kita auf den niedrigen Stühlen hockt und mit den Kindern am Boden rumspielt oder ein Arbeiter am Band – das können die nicht nachvollziehen, die leben in einer anderen Welt. Wenn du da von der Versicherungswirtschaft hochbezahlter Professor bist und die Gefälligkeitsgutachten machst, dann kannst du dir das vorstellen, dass du das noch mit 70 machst.
Kubach: Es geht auch um eine gerechte Verteilung von Arbeit. Das war schon immer der Kurs der Gewerkschaften, die sich dafür eingesetzt haben, dass wir etwa von der 60-Stunden-Woche für den Einzelnen wegkommen mit Samstagsarbeit wie in der Vorindustrialisierung und dann auch mehr Arbeitsplätze entstehen. So kommt es auch zu einer gerechteren Verteilung der Einkommen über die Löhne.
Riexinger: Wir haben ein doppeltes Problem. Viele Leute sind unterbeschäftigt. Die prekäre Beschäftigung führt insbesondere für viele Frauen zu unfreiwilliger Teilzeitarbeit. Die meisten Frauen würden sich eine 30-Stunden-Woche wünschen. Wir haben aber zig Betriebe, insbesondere im Einzelhandel, die bieten nur Mini-Jobs an oder Zehn-Stunden-Verträge, also Arbeit, von der du nicht leben kannst. Auf der anderen Seite haben wir so etwas wie eine strukturelle Überbeschäftigung: dass die Leute zu viele Überstunden machen und dass du die Arbeit nicht fertig bekommst und mit dem I-Pad mit nach Hause nimmst, sodass die Leute ihr Leben nicht mehr in Einklang bringen können. Wir brauchen da ein neues Verhältnis, damit die einen mehr und die anderen weniger arbeiten und beide Seiten genug verdienen. 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung hat seit 13 Jahren überhaupt keine Reallohnentwicklung. Für die unteren 20  Prozent ist es sogar zurückgegangen. Es gibt viel Spielraum für eine gerechtere Einkommensverteilung.