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Selina Kalmbach, bis vor drei Jahren Spielerin der SG Schozach-Bottwartal, läuft inzwischen bei der Neckarsulmer Sport-Union in der 1. Bundesliga auf.

Bottwartal - Montagmittag im Abstatter Bürgerpark: Selina Kalmbach sitzt ganz gemütlich im Eiscafé, eine Flasche Wasser vor sich und genießt die Sonne. Sie ist im Urlaubsmodus. Erst ein, zwei Stunden zuvor ist sie aus dem Südtirol-Kurzurlaub mit ihrem Freund Erik zurückgekehrt. Gerade einmal vier Nächte war sie weg – für mehr blieb keine Zeit. Doch das hat einen guten Grund. „Am Donnerstag beginnt für mich das Abenteuer Juniorinnen-Weltmeisterschaft“, erzählt sie mit einem riesigen Strahlen im Gesicht. Die offizielle Einladung für das Nationalteam hat die 20-Jährige erst eine Woche zuvor erhalten. „Aber mir wurde Mitte Mai schon gesagt, dass ich ziemlich sicher dabei bin. Deshalb war ich ganz entspannt. Dennoch war es toll, als jetzt die endgültige Nachricht kam“, sagt die Handballerin, die vielen im Bottwartal noch aus ihrer Zeit bei der SG Schozach-Bottwartal bekannt sein dürfte. Denn dort qualifizierte sie sich unter anderem in der Saison 2015/2016 mit ihrem Team für die Jugend-Bundesliga.

„Das war eine kleine Sensation hier“, erinnert sich Selina Kalmbach zurück. Inzwischen sind zahlreiche weitere große Momente in ihrer Handball-Karriere dazu gekommen. Und das, obwohl die Qualifikation zur Jugend-Bundesliga ja noch gar nicht so lange zurückliegt. Doch bei Selina Kalmbach hat sich alles rasant entwickelt in den vergangenen Jahren. Dem Erfolg mit den Bottwartälern folgte der Aufstieg in die 1. Bundesliga mit der Neckarsulmer Sport-Union, im vergangenen Jahr holte sich Selina Kalmbach mit der Deutschen Nationalmannschaft Platz fünf bei der U19-Juniorinnen-Europameisterschaft in Slowenien. Und nun steht ihre erste Weltmeisterschaftsteilnahme bevor. Vom 1. bis zum 15. Juli spielen die Juniorinnen in Ungarn die Besten aus. Für die Linksaußen-Spielerin wird dies ihr letztes Junioren-Turnier sein. Danach ist sie nur noch berechtigt, bei den Aktiven mitzuspielen. „Daran denke ich jetzt aber noch gar nicht“, sagt sie. Dabei hätte sie allen Grund zu hoffen, in Zukunft auch bei der A-Nationalmannschaft dabei zu sein. Schließlich ist die 20-Jährige schon das ein oder andere Mal bei A-Lehrgängen dabei gewesen. „Die haben sehr viel Spaß gemacht. Man kann da extrem viel mitnehmen“, sagt sie und meint: „Es wäre klasse, wenn ich auch zukünftig beim ein oder anderen dabei wäre. Ich will mich da natürlich bestens präsentieren. Aber ich weiß, dass der Sprung extrem schwer zu schaffen ist.“ Mit großen Sprüngen kennt sich Selina Kalmbach jedoch aus.

„Als es von der 2. in die 1. Bundesliga ging, war das echt heftig. Alleine das Trainingspensum hat sich enorm verstärkt. In der Vorbereitung haben wir dann siebenmal die Woche trainiert, später fünf- bis sechsmal“, berichtet die Studentin aus Abstatt, die an der DHBW Heilbronn BWL-Dienstleistungsmanagement und Sportmanagement studiert. „In dieser Saison habe ich dann auch wieder weniger gespielt als in der Saison davor“, erzählt sie. „In der Saison davor lief es aber auch wirklich super bei der Neckarsulmer Sport-Union. Da sind wir ganz souverän Meister geworden, was uns jungen Spielerinnen die Möglichkeit gegeben hat, Einsatzzeiten zu bekommen.“ Inzwischen hat sich Selina Kalmbach an die Härte und die Schnelligkeit gewöhnt – auch wenn ihr genauso wie ihren Teamkameradinnen in dieser Saison mehrfach die Bälle um die Ohren geflogen sind. „Es war wirklich der Wurm drin. Ich kann mir bis heute nicht erklären, warum es so in den Keller ging. Nach dem ersten Trainerwechsel dachte ich, dass uns der neue Wind gut tut, aber stattdessen ging es in die komplett andere Richtung“, sagt Selina Kalmbach zur „Saison zum Vergessen“, die letztlich mit dem vorletzten Tabellenplatz und dem sportlichen Abstieg endete. „Wir hatten jedoch Glück, dass nur eine Mannschaft nach oben kommt, so bleiben wir in der 1. Bundesliga. Wir sind also mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt sie und hofft, dass dem Team in der kommenden Runde ein Neubeginn gelingt. „Denn den brauchen wir auch. Einige Spielerinnen haben den Verein ja schon verlassen oder verlassen ihn in der Pause. Kommende Saison müssen wir also ein neues Team formen. Ein Augenmerk sollten wir dann auf den Teamgedanken legen, darauf, dass wir ein eingespielter Haufen werden. Denn das könnte in dieser Saison ein Faktor gewesen sein“, sagt Kalmbach und macht somit klar, dass es teamtechnisch nicht gerade ideal gelaufen ist in der abgelaufenen Saison. Anders als damals bei der Qualifiaktion zur Jugend-Bundesliga etwa oder beim Aufstieg in die 1. Bundesliga mit Neckarsulm.

Wie wichtig eine eingeschworene Mannschaft ist, wissen natürlich auch die Trainer der Deutschen Juniorinnen-Nationalmannschaft. „Sie haben uns deshalb zum Teambuilding eingeladen“, berichtet Selina Kalmbach. Los ging dieser Trip für sie am Donnerstag. „Bis Montag sind wir dann auf einer Hütte in der Nähe von Dresden. Der Ball bleibt in dieser Zeit komplett zu Hause“, erzählt die 20-Jährige, die danach noch einmal für ein paar Tage nach Hause nach Abstatt kommt, dann aber mit dem Deutschen Juniorinnen-Team nach Frankreich reist. Dort nimmt die Mannschaft am Vier-Länder-Turnier teil, ehe die Reise weitergeht nach München, wo „dann eine Woche Vorbereitung auf dem Plan steht“, so Selina Kalmbach. Im Anschluss daran wird es ernst – und wie!

Selina Kalmbach und das deutsche Team haben nämlich eine Hammergruppe mit vier Gegnern aus Europa, inklusive Europameister Frankreich, erwischt. „Das wird richtig schwer. Aber ich denke, dass einiges drin ist. Wir haben seit der EM im vergangenen Jahr einen großen Schritt nach vorne gemacht. Unser Ziel ist es, die Hauptrunde zu erreichen. Eine Medaille zu holen wäre ein Traum – erst recht die goldene“, meint die Handballerin und ergänzt schmunzelnd: „Wenn man da hinfährt muss das Ziel ehrlich gesagt sein: ‚Ich will Weltmeister werden’.“ Die Vorfreude auf die Tage in Ungarn ist Selina Kalmbach schon jetzt anzumerken, erst recht als sie verrät: „Im deutschen Nationalmannschafts-Trikot mit dem Adler auf der Brust aufzulaufen, ist einmalig. Da bekomme ich jedes Mal Gänsehaut. In diesen Momenten kann man reflektieren und ich merke immer, was ich alles erreicht habe in den vergangenen Jahren.“

Das Schöne: Die Familie ist in solchen Momenten stets bei ihr. „Meine Eltern unterstützen mich schon immer, und meine zwei Schwestern schauen auch zu, soweit es geht. Meine ganze Familie ist handballverrückt.“ Kein Wunder also, dass Selina in Ungarn auf die Unterstützung von den Rängen zählen kann. Neben ihren Eltern und ihren Schwestern Carina (23 Jahre) und Sabrina (26 Jahre) wird auch Freund Erik bei den Spielen dabei sein. „Das pusht ungemein und tut richtig gut“, sagt die Linksaußen-Spielerin, die einst bei der SG Schozach-Bottwartal noch auf Mitte spielte. „Seitdem ich in Neckarsulm bin, spiele ich jetzt auf der anderen Position. Das macht aber genausoviel Spaß“, erklärt sie, die selbst ihre Schnelligkeit und Aggressivitität in der Abwehr als Stärken nennt. Ebenso wie ihre unbändige Leidenschaft für den Handball. „Der Handball füllt mein Leben wohl zu 98 Prozent aus. Für mehr bleibt da eigentlich keine Zeit“, verrät sie, ist darüber aber keineswegs traurig. „Mir macht der Sport einfach Spaß“, betont sie und staunt deshalb manchmal selbst darüber, wie sich alles entwickelt hat. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so weit komme. Hätte vor drei Jahren jemand zu mir gesagt, dass ich jetzt bei der WM teilnehme, dann hätte ich es nicht geglaubt.“ Doch nun steht dieser Wettbewerb vor der Tür – die Welt ihr noch offen.

„Ich weiß nicht, was passiert und wo es mich noch hinverschlägt. Aber mein Motto ist: Alles ist möglich“, sagt Selina Kalmbach und lächelt ganz entspannt. Man merkt: Sie glaubt daran, dass sich schon alles fügen wird. So wie es das bislang immer getan hat. Fragt man sie dennoch nach ihren Träumen, dann erhält man zwei Antworten. „Ich würde gerne mal mit meinen beiden Schwestern zusammen spielen“, verrät sie. Und der zweite Wunsch: „Bei Olympia teilnehmen, denn das ist ein heiliges Thema. Einmal sagen können: ‚Ich habe da teilgenommen’, wäre der Wahnsinn. Das ist aber ganz ganz weit weg“, erklärt Selina Kalmbach schmunzelnd, lehnt sich zurück und trinkt ihr Wasser aus. Träumen ist ja erlaubt – erst recht nach den erfolgreichen vergangenen Jahren.