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Wenn die Zustellung der Post stockt, lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

Erst wenn die Post einmal nicht kommt wie zuletzt in Murr, Oberstenfeld und Beilstein, fangen wir an, über solche sonst selbstverständlich wirkenden Banalitäten des Alltags wie die pünktliche Zustellung nachzudenken. Als Student durfte ich einmal selbst hinter die Kulissen bei der Post blicken, als ich dort einen Aushilfsjob übernahm. Der Perspektivwechsel kann durchaus helfen beim eigenen Urteil über die frühere Behörde mit dem Briefmonopol, die heute angesichts einer extrem dünnen Personaldecke händeringend nach neuen Zustellern sucht, aber keine geeigneten findet, laut ihrem Stuttgarter Pressesprecher Hugo Gimber. Das wundert mich nicht so sehr.

Frank Wewoda

Dass das Austragen der Briefe schon ein Knochenjob sei, sagte mir nicht nur meine Gesprächspartnerin, als ich sie im Winter für eine Reportage bei ihrer Tour aus dem Marbacher Zustellzentrum an der Ecke Hauffstraße/Hermann-Hesse-Straße beim Austragen bis in die Innenstadt begleitete.

Das Briefaufkommen geht durch E-Mail und What’s App grundsätzlich zurück. Am schwersten wiegen heute, im wahrsten Sinne des Wortes, Prospekte und Reklamebroschüren, die den Zustellern zusätzlich in ihren Bezirken aufgebürdet werden. Da bricht schon einmal ein Handwagen unter der übermäßigen Last zusammen. Das passierte mir übrigens auch selbst im Job damals, plötzlich schepperte es im Metallgestell und mein Wägelchen mit den gelben Taschen und dem schwarzen Posthorn krachte in sich zusammen, Totalschaden.

So kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, wie anstrengend das Austragen nicht nur körperlich ist. Um 6 Uhr mussten damals alle Austräger, Anfang der 2000er-Jahre, an Tagen mit hohem Briefaufkommen – wie etwa freitags – im Zustellzentrum ihren Dienst antreten, auch ich als Aushilfe. Für seinen Bezirk hatte jeder Zusteller dort eine Art Regal vor sich, mit vielen, von Metallstäben unterteilten Sortierfächern, in denen die Post in die korrekte Reihenfolge für die Zustellung im eigenen Bezirk gebracht wurde.

So ist es auch heute noch, wie ich während der Recherche zu einer Reportage kürzlich vor Ort gesehen habe. Jedes Fach steht für ein Gebäude, also eine Hausnummer, jeder Boden ist unterteilt in mehrere Straßen. Es bedarf einiger Routine, um diese Fächer flink zu bestücken – also die „Post zu stecken“, wie es unter Zustellern im Berufsjargon heißt. So sortiert, werden die Briefe, zu dicken Packen verschnürt – in den so genannten Verbundbezirken auch die Pakete –, in die Handwagen und Electroscooter geladen, um das letzte Stück ihrer Reise zu den Empfängern zurückzulegen. Dort müssen nun wegen krankheitsbedingter Ausfälle einige Kollegen aus anderen Bezirken und sogar der Verwaltung aushelfen, die sich vor Ort nicht genau auskennen. Wenn wir deshalb nun einmal vergeblich warten müssen, sollten wir nicht mit dem Bruddeln anfangen, sondern lieber an all die Tage und Wochen denken, in denen die Frauen und Männer in schwarz-gelb unsere Post schon pünktlich gebracht haben und bei Wind und Wetter ihre Knochen hinhalten für uns.