Dominik Thewes Foto: mz

„See me human“ heißt das neue Album von Black Swift. Die CD hat es in sich: kleine Scheibe, große Kunst, kommentiert Dominik Thewes

Winzerhausen - Der wöchentliche Blickwinkel ist immer auch Experimentierfeld für neue oder uns ungewohnte journalistische Formate. Warum also nicht an dieser Stelle dem geneigten Leser die Besprechung einer CD präsentieren – für den Lokalteil wäre auch das ein Novum. Und ein notwendiges dazu. Denn am heutigen Samstag wird die Welt ganz offiziell um zehn kleine Kunstwerke reicher. Oder um ein großes Gesamtmeisterwerk. Das hängt vom Blickwinkel ab, den einer einnehmen will. Heute Abend wird „See me Human“, das neue Studioalbum der in Winzerhausen lebenden Künstlerin Sally Grayson, der Öffentlichkeit vorgestellt.

Ich für meinen Teil kann mich mit beiden Sichtweisen anfreunden. Jeder der zehn Songs kann hervorragend für sich alleine stehen. Doch um eine alte Binsenweisheit auszugraben: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. Und so ist „See me Human“ vor allem dann richtig gut, wenn man sich auf die vollständige musikalische Reise einlässt.

Sich dem zu entziehen ist allerdings auch gar nicht so einfach. Schon das Eröffnungsstück treibt in hämmernden Triolen ein Versprechen vor sich her. „There ismore“ – es gibt mehr – enthält durchaus die gut gemeinte Aufforderung, weiterlaufen zu lassen. Die in Michigan geborene Sängerin und Gitarristin hat schließlich eine Botschaft. Und sie will, dass diese bei den Hörern ankommt. Als treibe sie die Sorge um, ein Mikrofon sei dafür nicht ausreichend, singt sie oft genug zusätzlich direkt in ein Megafon. Und man gewinnt unweigerlich den Eindruck, je verzerrter die Stimme, desto klarer ihr Blick: „Es ist unglaublich wichtig, dem anderen zuzuhören: Was ist die Geschichte des Menschen gegenüber, was hat ihn dazu motiviert, die Entscheidungen so zu treffen wie er es tat. Diese Lebenseinstellung hilft, aus dem dunklen Kreis von Rassismus, Diskriminierung und Gewalt auszubrechen“, sagt die Sängerin über ihre Philosophie, nicht nur hinter der neuen CD. Auch, wenn die dominierende Tonart Moll ist, spürt man in den Liedern Sally Graysons Zugewandheit zu den Menschen, ganz so, wie sie es in der ersten Singleauskopplung postuliert. „Called to love“ – zur Liebe berufen – das passt zu der stets gut gelaunten Künstlerin.

Wer sich anhören möchte, was die Winzerhäuserin zu sagen hat, sollte sich die CD-Release-Party heute Abend von 20 Uhr an im Stuttgarter Kellerclub nicht entgehen lassen. Wer keine Zeit haben sollte, braucht sich auch nicht zu grämen, die Welt ist schließlich um eine kleine silberne Scheibe reicher, die ein großes Gesamtkunstwerk enthält. Und als wäre das nicht genug, gibt es jede Menge Material, angefangen von Videos bis hin zu Artwork, obendrein.