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Der Kater, den so gut wie jeder in Marbach kannte, ist am 1. Mai gestorben. Er wird vielen fehlen.

Marbach - Mensch Anton, was machst Du denn für Sachen? Seit Jahren blieb mir das Herz immer für einen Moment stehen, wenn ich Dich von meinem Bürofenster aus über den König-Wilhelm-Platz hab’ stolzieren sehen. In einer Selbstverständlichkeit und Seelenruhe, die seinesgleichen sucht. Ungeachtet der Ampelschaltungen und des Verkehrsaufkommens. So als könnte Dir nichts passieren. So als wärst Du Dir Deines Schutzengels immer sicher.

Wie habe ich mich vor der Nachricht, dass Du doch einmal unter die Räder gekommen bist, gefürchtet. Nie hätte ich damit gerechnet, dass Du eines natürlichen Todes sterben wirst. Der Anruf diesen Mittwoch beschäftigt mich noch immer und hat einen Schatten auf die Woche gelegt.

Seit mehr als fünf Jahren läuten ich oder mein Kollege samstags mit dieser Kolumne das Wochenende ein. Rechts außen steht der „Blickwinkel“ normalerweise, und eigentlich hatte ich mir diese Woche auch eine blickwinkelfreie Woche gönnen wollen, aber Du wirfst alles über den Haufen. .  .

Es gab Zeiten, in denen Du fast täglich zu uns marschiert bist. Du hast Dich eine Weile bei den Kollegen im Erdgeschoss ausgeruht, um dann in der Redaktion vorbeizuschauen. Liebenswürdig, verschmust, aber irgendwie auch herrlich eigenwillig. In Momenten, in denen ich Dir nicht genug Beachtung geschenkt habe, bist Du – als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt – quer über den Schreibtisch getapst, um Dich mitten auf der Tastatur auszustrecken. Ich habe Dich für diese Momente geliebt, denn sie haben mir nicht nur ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, sondern auch kleine (Schmuse-)Auszeiten geschenkt.

An jeder Ecke in der Stadt warst Du bekannt. Gäbe es ein Ranking in Sachen Bekanntheitsgrad Marbacher Persönlichkeiten, hättest Du es in den zwölf Jahren Deines Katzenlebens sicher in die Top Ten geschafft. Hast Du Dir die Reaktionen auf die Nachricht Deines Todes auf unserer Facebookseite angeschaut? Mehr als 200 Zweibeiner haben Deiner gedacht. Viele von ihnen haben ihre Erinnerungen an Dich mit uns geteilt.

So traurig es ist, dass Dein Schnurren uns nicht mehr wärmen und glücklich machen kann, so froh bin ich, dass Du nur kurz leiden musstest – für Dich und Deine zweibeinige Familie. Am 1. Mai, hat mir Dein „Menschen-Papa“ erzählt, hast Du morgens zu hecheln begonnen – und nicht mehr aufgehört. In der Tierklinik wurde versucht, Dein Leben zu retten, aber Du hattest zu viel Wasser in der Lunge und Dein Herz war schon zu schwach.

Du hast ein exzessives Leben geführt, warst immer unterwegs, immer auf Tour – begleitet von der Gewissheit, dass Du ein Zuhause hast, in dem Du geliebt wirst. Das ist wichtig – auch für uns Menschen. Dein „Papa“ hat mir erzählt , dass das Telefon in den ersten Monaten nicht stillgestanden hat, weil ständig Leute anriefen, bei denen Du es Dir bequem gemacht hattest. Hier in der Nachbarschaft gab es beispielsweise ein Schreibwarengeschäft. Immer wieder hast Du Dich in die Wohnung des Besitzers geschlichen, um Dich in dessen Schlafzimmer in die Decke zu kuscheln, gerade so, als sei es Deine. Auch im Wartezimmer der urologischen Praxis gleich hier um die Ecke warst Du ein selbstverständlicher Gast. Als Du einmal zu viel Blödsinn angestellt hattest, verschoben Deine Besitzer Deinen Freigang vom Tag in die Nacht. Was Dich aber nicht weiter störte. Wozu gibt’s Kneipen in Marbach? Kurzentschlossen hast Du es Dir im Café Cheval auf einem Barhocker bequem gemacht und dort zwischen anderen Nachtschwärmern eine Runde gechillt.

Am meisten geliebt, erzählt Dein Herrchen, hast Du Handwerker. In deren Auto zu stöbern oder mit ihnen auf die Leiter zu steigen, da ist für Dich Weihnachten und Ostern zusammengefallen. Auch mit einer Autofahrt konnte man Dich begeistern. Dass Du einmal unbemerkt mit einem Handwerker bis nach Würzburg mitgefahren bist, ist nur eine von zig Geschichten über Dich. Ganz zu schweigen von den Kunststücken, die Du draufhattest: Männchen machen, Pfote geben oder sich nach einem vorgetäuschten Schuss tot stellen – für ein Leckerli hast Du Dich ins Zeug gelegt. Stellte man Dir eine bestimmte Plüschkatze an die Seite und fragte Dich, wer Dein bester Freund sei, hast Du flugs Deine Pfote um den starren Artgenossen gelegt. Du warst etwas ganz Besonderes, mein Freund. Mach’s gut da oben im Katzenhimmel.