Videoanrufe können praktisch sein – aber auch sehr lästig! Foto: Archiv (dpa)

Das Telefonieren in der Öffentlichkeit wird an Peinlichkeit durch den Videoanruf noch getoppt.

Marbach - Journalisten sind von Haus aus neugierige Zeitgenossen. Wer nicht hinter Fassaden schauen, Ursachen und Zusammenhänge erforschen, aber auch Menschen und ihre Geschichten kennenlernen möchte, dem fehlt eine wichtige Basis für unsere Profession. Ohne Neugier ist man in einem Redaktionsbüro fehl am Platz. Gesunde Neugier wohlgemerkt. Denn es gibt Grenzen – das Recht auf Privatheit des Gegenübers etwa.

Was aber tun, wenn unsere Mitmenschen auf besagtes Recht pfeifen und ihre Privatheit in der Öffentlichkeit hemmungslos ausleben? Sie kennen das sicher. Man sitzt in der Bahn oder im Bus und die Frau oder der Mann neben oder gegnüber von einem nutzen die Fahrt, um ein paar Telefonate zu erledigen. Und schwupps taucht man ein in das Leben des anderen. Das Kopfkino setzt die Geschichten des Erzählenden in Bilder um: der Streit mit der Freundin, der Stress mit den Kindern, die Auseinandersetzung mit dem Chef. Ein Entkommen gibt es nur für den, der sich über Knöpfe in den Ohren berieseln lassen.

Dass es noch schlimmer geht hab’ ich vor kurzem in einem Cafe erfahren. Der Kollege und ich hatten Sonntagsdienst und wollten uns zwischendurch mit einem Eis belohnen. Einfach abschalten und den Sommer genießen. Wir hatten eine echte Glückssträhne: Ein Tisch im Schatten schien nur auf uns zu warten und schon nach ein paar Minuten bekamen wir unsere Eisbecher serviert.

Leider klingelte beinahe zeitgleich am Nebentisch das Handy eines Mannes. Er schaute auf das Display und strahlte. Die Tochter rief an. Und sie wollte die lieben Eltern offenbar nicht nur hören, sondern auch sehen. Wie nett. Da das Kommunizieren per Videoanruf in einem Straßencafe nur funktioniert, wenn auf beiden Seiten etwas lauter gesprochen wird, wussten auch wir – und viele andere – eine Viertelstunde später, wo das Töchterlein gerade im Urlaub weilt, wie groß das Buffett im Speisesaal ist, was sie am Abend noch alles vor hat und so weiter und so weiter. Und der Nachwuchs wusste seinerseits, was die Mama und der Papa gerade für einen Eisbecher essen. In Wort und Bild. Dabei wurden wir beim Kameraschwenk ungefragt zu Statisten.

Der Kollege verschluckte sich beim Versuch ernst zu bleiben beinahe an seinen Waldbeeren und ich ertappte mich immer wieder wie ich entweder fassungslos nach rechts schaute oder mit einer ebenso hilflos-entsetzten Dame links von mir Blicke austauschte. Nach zehn Minuten war der Spuk vorbei. Dem Papi schmolz nämlich das Eis davon und das wäre ja dann bei aller Liebe zum Augenstern jammerschade gewesen. Also verabredete man sich auf den nächsten Tag. Bleibt zu hoffen, dass Mama und Papa da zuhause waren, als das Telefon klingelte.