Karin Götz Foto: MZ

Schule bedeutet für immer mehr Kids Stress. Stress, den vor allem aber wir Eltern machen.

Marbach - Alle Jahre wieder. Abitur, Mittlere Reife, Hauptschulabschluss. Während unsereins sich am Frühling erfreut, der sich diese Woche von seiner schönsten Seite gezeigt hat, heißt es für die Mädchen und Jungs der Abschlussklassen in Marbach und im Bottwartal, ihr Wissen abzurufen, um mit einer möglichst guten Leistung die schulische Laufbahn abzuschließen. Zumindest vorerst.

Bei mir ist es dieses Jahr 30 Jahre her, dass ich in der Abiprüfung gesessen habe. Ehrlich gesagt, bin ich relativ ungeschoren durch die Dauertestphase gekommen. Zumindest habe ich alle schlechten Erfahrungen, so es sie gegeben hat, erfolgreich verdrängt. So wie ich an meine Schulzeit im Großen und Ganzen überhaupt schöne Erinnerungen habe. Nein, ich war weder eine Streberin, der gute Noten in den Schoß gefallen sind, noch eine Einser-Schülerin. Guter Durchschnitt trifft es eher. Stark in Sprachen, schwach bis erbärmlich in Naturwissenschaften. Beides wird sich vermutlich bis ins Alter halten.

Schule bedeutet heutzutage für immer mehr Kinder und Eltern Stress pur. Eine repräsentative Umfrage der Kollegen der „Welt am Sonntag“ im vergangenen Jahr zeigte: Die Hälfte aller Deutschen empfindet den Leistungsdruck auf Schüler als zu hoch. Immer mehr Mädchen und Jungs klagen über klassische Stresssymptome wie Kopfschmerzen und Übelkeit. Wissenschaftler diagnostizieren bereits „Burn-out im Kinderzimmer“.

Eine Schule ganz ohne Druck und Stress wäre eine schlechte Vorbereitung aufs Leben. Davon bin ich überzeugt. Aber wird seitens der Schulen heute wirklich so viel mehr gefordert als noch vor Jahren oder Jahrzehnten? Ich glaube nein – und bin zudem davon überzeugt, dass allen voran wir Eltern unsere Kinder unter Leistungsdruck setzen. Auch ich ertappe mich ab und an dabei und muss mich selbst maßregeln. Ursächlich sind vermutlich Zukunftsängste vieler Eltern. Nur die Besten können sich in dieser Welt behaupten. Nur die Besten finden einen Job, von dem nicht nur sie, sondern bestenfalls auch eine ganze Familie leben kann – so ihre Wahrnehmung. Die Folge: Die Tage unserer Kinder sind getaktet wie die eines Erwachsenen. Schule, Hausaufgaben, Lernen, Musikunterricht, Sport – da bleibt wenig Zeit zum Nichtstun. Selbst die Wochenenden sind verplant. Die Ansprüche, die wir an uns selbst stellen, sind hoch. Oft zu hoch. Wir meinen, ständig funktionieren zu müssen. Das ist schlimm genug. Noch schlimmer ist es aber, wenn wir dies auch von unseren Kids erwarten. In diesem Sinn wünsche ich allen Prüflingen, aber auch allen Prüfling-Eltern eine große Portion innere Gelassenheit für die nächsten Wochen.