Ein Nahverkehr ohne Fahrkarten-Kontrolle wird wohl Vision bleiben. Foto: dpa

Frank Wewoda macht sich Gedanken über Tickets und Schwarzfahrer. Ein Nahverkehr ohne Fahrkarten-Kontrolle wird aus seiner Sicht wohl Vision bleiben.

Marbach/Benningen - Als in der S-Bahn nach Marbach kurz vor Benningen plötzlich im Gang weiter hinten die Worte „Die Fahrkarten, bitte“ fallen, sehe ich erst zwei Jugendliche auf dem Absatz kehrt machen, die gerade noch entschlossen den Wagen durchquert haben. Sie wären so den Kontrolleurinnen direkt in die Arme gelaufen, schaffen es aber in entgegengesetzter Richtung in Benningen rechtzeitig aus dem Zug.

Frank Wewoda

Dafür erwischt es auf meiner Höhe an der anderen Seite des Gangs einen Jungen. Der streckt dem Auge des Gesetzes (oder vielmehr der Tarif- und Beförderungsbedingungen) jedoch nur achselzuckend sein Telefon mit völlig schwarzem Display entgegen und sagt: „Ich habe mir ein Handyticket gekauft, jetzt ist aber der Akku leer.“ Ob das nun stimmt oder nicht, ist erst einmal egal, auf jeden Fall werden seine Personalien aufgenommen.

Hektisch wandert mein Blick da zu meinem eigenen Handy. Die bunten App-Klötzchen strahlen dort wie eh und je, uff, alles gut! Denn zum ersten Mal habe ich selbst ein Handyticket gebucht für die S-Bahn. Erst wollte die App nach erfolgreichem Kauf den Fahrschein nicht laden – „Keine Verbindung zum Server, erneut versuchen?“ – schließlich klappte es doch, allerdings erst nach dem Einstieg. Warum kann man überhaupt noch Schwarzfahren, frage ich mich da?

Die Zukunftsvision lautet so: Die Bahn ist ganz und gar digitalisiert, die Handys der Fahrgäste werden beim Ein- und Ausstieg vom W-Lan in den Zügen automatisch erfasst. Tatsächlich ist ja auch auf der Marbacher Linie S4 seit vorigem Jahr immer öfter das Symbol für W-Lan seitlich am Zug zu finden. Meistens hab ich es ausprobiert, nie wurde ich enttäuscht. Das Einloggen und Surfen funktioniert einwandfrei. Wie toll wäre es, wenn das auch dazu dienen würde, Zeitkarteninhaber zu erkennen oder um den fälligen Betrag für die als Einzelfahrt zurückgelegte Fahrstrecke gleich zu kassieren und direkt nach dem Ausstieg vom Konto des Fahrgasts abzubuchen. Reine Zukunftsmusik ist das längst nicht mehr. Tatsächlich entwickelt die Deutsche Bahn derzeit ganz real ein solches System, das über die Bahnapp die Position des Fahrgasts jederzeit bestimmt und die gefahrene Strecke automatisch abrechnet. So soll der elektronische Fahrschein, das E-Ticket, künftig zum Standard werden. Das Handy muss dann allerdings schon aufgeladen sein, der Bildschirm darf nicht schwarz bleiben. Die Kontrolleure wird es demnach trotzdem brauchen, die Fahrscheinprüfungen werden erhalten bleiben, die mich immer etwas unangenehm an Razzien erinnern – schade eigentlich.