Frank Wewoda Foto: MZ

Im Web kann heute alles und jeder bewertet werden, unter anderem Restaurants und Ärzte.

Marbach - Im Web kann heute alles und jeder bewertet werden. Restaurants erhalten Punkte bei Trip Advisor oder Sterne bei Yelp, Ärzte sogar Schulnoten bei Jameda. Inzwischen sind die Portale so verbreitet, dass genügend Einschätzungen wildfremder Kunden oder Patienten selbst über Gasthäuser und Praxen auf dem Land verfügbar sind. Und die können richtig Ärger machen. Eine Yelp-Kostprobe für Marbach klingt so: „Den Stern gibt’s, weil das Essen warm war und ich einfach nur Hunger hatte und deshalb den Schlunz gegessen habe.“ So knapp, aber auch so ehrabschneidend kriegt ein bei der Mehrheit sehr beliebtes Restaurant dort sein Fett weg. Doch kommt dabei die Sachebene „etwas“ zu kurz. Unterhaltsam zu lesen ist das sicher für jeden, der zur Schadenfreude neigt. Aber sind die harschen Worte berechtigt, ist der Pöbler überhaupt da gewesen? Könnte es sein, dass ein Unbekannter gezielt den Ruf des Lokals schädigen möchte? Oder wirft der Schreiber namens „RK User“ einfach aus Langeweile mit Dreck um sich, heischt ausschließlich nach Aufmerksamkeit?

Das soll die Motivation so genannter Trolle sein, die etwa mit Gehässigkeiten provozieren. Wer „RK User“ ist? Man weiß es schlichtweg nicht. Die positiven Bewertungen, die daneben stehen, interessieren plötzlich aber viel weniger. Wer vom Leder zieht, wird beachtet, schon klar.

Zensuren und Beurteilungen sind eine Währung der Leistungsgesellschaft. Von Kindesbeinen an sollen sie uns den Wert unserer Bemühungen in der Schule, später im Studium und bei der Arbeit zeigen. Entscheidend an der Sache ist nur, ob und wie glaub- und vertrauenswürdig der Urteiler dabei ist. An staatlichen Einrichtungen wie an Schulen und Universitäten gibt es immerhin klare Regeln und Richtlinien, wer benoten darf und nach welchen Kriterien. Doch in Foren und auf Bewertungsplattformen? Da geht es mehr zu wie im Wilden Westen. Den Lautesten gehört die Bühne im Saloon, feige von hinten niedergestreckt zu werden, soll Legenden zufolge dort ja auch verbreitet gewesen sein.

Aber wollen wir so einen Umgang im Internet? Wer tadelt oder gar vernichtend kritisiert, sollte dazu mit seinem guten Namen stehen. Nur im Dialog können Missverständnisse geklärt und Versäumnisse erklärt werden, für die es vielleicht gute Gründe gibt. Die könnten manches Urteil deutlich milder ausfallen lassen. Kritisieren, aber mit Anstand und klaren Regeln, muss die Devise auch im Internet lauten. Sonst verkommen Bewertungsportale zu mittelalterlichen Prangern. Das Potenzial des Internets liegt aber doch gerade darin, in Dialog zu treten und sich auszutauschen.