Vor Jahren ist den Steillagen das Ende prophezeit worden. Zehn Weinbaugemeinden am Neckar stemmen sich dagegen. Foto: Werner Kuhnle

Die Weinberge in Steillagen prägen das Landschaftsbild im Bottwartal. Doch wer genauer hinsieht bemerkt, dass immer mehr Flächen verödet sind oder von Brombeeren überwuchert werden. Um die Weinberge zu retten, wollen sich mehrere Weinbaugemeinden ein Konzept überlegen, um die Steilhänge zu Imageträgern zu machen.

Benningen - Steile, mit Weinreben bepflanzte Terrassen prägen seit Jahrhunderten das Bild der Neckarregion. Doch genaue Beobachter sehen: Immer mehr Flächen veröden oder sind von Brombeersträuchern überwuchert. Das hat seinen Grund, wie am Dienstagabend in der Kelter in Benningen zu erfahren war. Die Arbeit an den steilen Hängen ist mühsam, personalintensiv und damit teuer. „Eine Steillage ist Handarbeit und wird es auch bleiben“, sagte Rolf Gastel, Naturschutzfachkraft beim Landratsamt Ludwigsburg. Da die Mehrarbeit sich nicht über den Preis umsetzen lässt, hat der deutsche Weinbaupräsident schon vor Jahren den Steillagen das Ende prophezeit.

Dagegen stemmen sich jedoch insgesamt zehn Weinbaugemeinden am Neckar, darunter Benningen und Mundelsheim. Sie erarbeiten derzeit gemeinsam ein Integrierte Ländliche Entwicklungskonzeption (ILEK) Neckarschleifen. Ihre Zielsetzung: Die unverwechselbare Kulturlandschaft erhalten und, falls eine Rebfläche doch aufgegeben werden muss oder schon musste, Nutzungskonflikte zu lösen.

Etwa 120 Wengerter, Weinerlebnisführer, Weingenossenschaften, Bürgermeister und Gemeinderäte, vereinzelt auch ganz normale Weinliebhaber, informierten sich in der Kelter über das, was in puncto Zusammenarbeit bislang gelaufen ist, waren aber auch zur Mitarbeit aufgerufen und als Ideengeber gefordert. Hausherr Klaus Warthon unterstrich nicht nur die Bedeutung des Weinbaus für Benningen, die sich sogar im Logo zeige – die Sonnenstrahlen stehen für die Weinberge auf Gemeindegebiet –, sondern verwies auch auf ein nachahmenswertes Projekt. Schüler der Paul-Aldinger-Schule in Kleinbottwar hätten sich einiger verwilderter Weinberge angenommen, Brombeeren gerodet und Trockenmauern gebaut (wir berichteten). Davon profitierten auch die geistig behinderten Schüler, die sich so für den normalen Arbeitsmarkt qualifizieren können. Warthon versäumte es jedoch nicht, auf ein generelles Problem hinzuweisen: „Der Altersdurchschnitt der aktiven Wengerter ist recht hoch, und deren Kinder haben kein Interesse mehr, sondern verlassen Benningen, um anderswo ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“

Ein mögliches Gegenmittel hatte Christian Kaiser, Geschäftsführer der Winzergenossenschaft Rosswag-Mühlhausen, im Gepäck: das Projekt „Wengerter für ein Jahr.“ Hier zahlen Leute Geld dafür, dass sie ein Jahr lang im Weinberg arbeiten und zum Schluss nicht nur ihren selbst produzierten Wein trinken dürfen, sondern auch ein Diplom zum „ausgebildeten Rebenbändiger“ erhalten. „Wir haben mehr Anfragen, als wir bedienen können“, sagte Kaiser. Denn: „Es geht nicht ums Geld, sondern um das Erleben und das Wir-Gefühl“.

Klar ist aber auch, dass dem aktiven Wengerter, der wirtschaftlich arbeiten muss, mit solchen Aktionen nicht geholfen ist. Einer forderte unter dem Applaus seiner Kollegen einen Zuschlag je nach bewirtschafteter Fläche, ein anderer stellte fest: „Zu viele Bürokraten sind der Wengerter Tod“ und nannte dazu die hohen Auflagen des Landratsamts im Hinblick auf die Trockenmauern: „Warum dürfen wir keine Gabionen errichten? Oder wenigstens Speis verwenden, damit die Mauer schneller stabil ist?“ Rolf Gastel verwies hier auf Gesetzesvorgaben, räumte aber ein, dass „Trockenmauern Kunsthandwerk sind.“

Die ILEK-Kommunen versuchen die Weinterrassen zu retten, indem die Steillagenweine, teils mit Reben höherer Qualität, zu Imageträgern der Region profiliert und als Flaggschiffweine ausgebaut werden. Auch touristisch sollen die Steillagen genutzt und zu einem Erlebnisraum werden. Die Anwesenden hatten zudem die Möglichkeit, in der Diskussion und auf vorbereiteten Postkarten ihre Ideen einzubringen.

Andrea Hartz von der Planungsgruppe agl, die die Veranstaltung moderierte, stellte indes klar: „Wir wollen die Steillagen unterstützen, aber wir werden nicht alle Probleme lösen können.“