Foto: Michael Raubold Photographie

Der Trauermarsch und die Sargverbrennung bei der Kirbe folgen einer langen Tradition.

Benningen - Kurz vor 19 Uhr ist so mancher der zwölf Kirbebuben doch etwas aufgeregt. „Erst mal kein Stress“, sagt Peter Behringer, als „Pfaff“ der Anführer der Kirbebuben. Ob es am ausgiebigen Feiern liegt oder an der Tatsache, dass gleich mehrere Hundert Benninger dem Trauerzug folgen werden, die Anspannung ist förmlich zu spüren.

Der Sarg ist fertig gezimmert und mit 140 roten Nelken geschmückt. Die Innenbeleuchtung mit LED-Lampen lässt den ausgesägten Schriftzug „Kirbe 2017“ gut zur Geltung kommen. Mit Masken und schwarzen Kutten vermummt wirken die Kirbebuben etwas unheimlich, aber das ist Tradition und dem ein oder anderen mag es vielleicht auch recht sein, nicht so sehr in Erscheinung zu treten.

Am Kirbemontag wird die Kirbe zu Grabe getragen, was Höhepunkt und Abschluss der vier tollen Tage darstellt. Die 20-jährigen jungen Männer im Ort haben die Aufgabe, die Tradition weiter zu tragen. Wobei das Tragen durchaus wörtlich zu verstehen ist, denn der Sarg mit dem Gestell hat durchaus beträchtliche Ausmaße.

Wenn man in der anderen Hand noch eine Fackel trägt und das Gesichtsfeld durch die Maske eingeschränkt ist, wird das Navigieren zur Glückssache. Immer wieder wechseln die acht Mann durch, wobei der Größenausgleich beachtet werden muss. Im Gleichschritt geht es die Lange Straße hinunter. Immer mehr Nachtschwärmer stoßen dazu, schnell ist der Trauerzug auf mehrere Hundert Leute angewachsen.

Der Nachwuchs ist begeistert. „Guck, das sind die Kirbebuben!“, ruft ein Junge begeistert. In einigen Jahren wird er den Sarg und damit die Tradition selbst weitertragen. Mit Gejammer und Gestöhne geht es den Benninger Dengelberg hinab. Die Ehemaligen feiern in der Weinstube Löwen, die nur zur Kirbe aufmacht, und schauen gerade rechtzeitig auf die Straße raus, als der Zug um die Ecke an der Kelterkreuzung biegt.

Damit so eine Großveranstaltung mit insgesamt über 1000 Beteiligten reibungslos über die Bühne geht, sind eine Menge Vorarbeiten nötig. „Das ist ein immenser Aufwand“, stellt Bürgermeister Klaus Warthon bei der Lagebesprechung im Feuerwehrhaus fest. Polizei, Deutsches Rotes Kreuz, die Feuerwehr mit allen verfügbaren Kräften, die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft DLRG, die Wasserschutzpolizei, das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Stuttgart (WSA), das Landratsamt, der Bauhof und das Ordnungsamt der Gemeinde sind beteiligt. Rund 30 Absperrungen müssen auf- und wieder abgebaut werden, was Feuerwehr und Bauhof in Zusammenarbeit bewältigen. Der Schiffsverkehr auf dem Neckar wird eingestellt, die Polizei sichert den Trauerzug, die Feuerwehr sorgt beim Feuerwerk für den Brandschutz, zahlreiche Genehmigungen sind zu erteilen. „Da ist ein gewaltiges Zusammenwirken verschiedener Institutionen notwendig, damit so ein Abend geordnet abläuft“, urteilt Warthon. Pfaff Peter Behringer hält derweil an der Kelter die Kirbepredigt. Bei den Zeilen „Benninge förscht, ond alles andere isch second!“, kommt so mancher ins Schmunzeln. Die Fahne und damit die Verantwortung für die nächste Kirbe gibt der Pfaff an Ron Preuß weiter. „Ich hab bis vor wenigen Minuten noch nichts von meinem Glück gewusst“, kommentiert der 19-Jährige die Überraschung.

Vorneweg mit der Fahne darf der junge Mann nun an der Seite des diesjährigen Pfaffs den Trauermarsch anführen. Der Weg führt die Beihinger Straße entlang. Vor der Halle in der Au biegt der Trauerzug ab und marschiert die letzten Meter am Festplatz vorbei auf dem Hochwasserdamm zum Bootshaus.

Hier haben sich schon einige Besucher postiert, um den besten Blick auf das Feuerwerk zu bekommen. Die Zahl der Kirbegänger dürfte jetzt auf über 1000 Menschen angewachsen sein. Die Kirbebuben tragen den Sarg bis ganz ans Ende, wo der alle Jahre wieder genutzte Ponton das Holzgebilde in Empfang nimmt.

Der Sarg wird mit Holz gefüllt. „Erst anzünden, wenn der Sarg auf dem Wasser ist“, gibt Uwe Hartmann vom WSA die Anweisung. Sein Kollege Sven Rühle ist zum ersten Mal dabei, und wird den brennenden Sarg mit dem Boot eine Trauerrunde über den Neckar ziehen. Die 140 roten Nelken verbrennen. Yannick Stöckl, Pfaff der Kirbebuben im Jahrgang 2015, spielt „Amazing Grace“ auf der Trompete.

Mit einem großen Knall setzt sich das großartige Brillantfeuerwerk in Gang. Das Abbrennen der 150 Blitzknallbomben, Kugelbomben und Feuerwerksbatterien hat Charly Bartosch von „Magic Vision“ genau choreografiert. Die Zündkreise werden einzeln gezündet, wobei das bis zu zwei Minuten Feuerwerk bedeutet.

Silberweiden, Fächerbatterien und Crossettsterne zaubern farbige Lichteffekte an den dunklen Nachthimmel. Vor 40 Jahren habe man den Sarg noch mit Magnesium gefüllt und mit lautem Wumms explodieren lassen, erinnert sich ein schon etwas älterer Kirbebub an frühere, nicht ganz ungefährliche Umtriebe.

Hinter der sicheren Absperrung genießen die Besucher eine Viertelstunde die zauberhaften Bilder aus roten, lilafarbenen und goldenen Kugeln am Himmel, lassen sich von dem mächtigen Nachhall aus den Weinbergen mitnehmen und spüren sogar auf der anderen Neckarseite noch den Druck und die Wärme der eigens für die Kirbe konstruierten Schwarzpulver-Benzin-Bombe, mit der das Feuerwerk und damit die Kirbe gewaltig zu Ende geht.