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Die Verbindung von Leben und Werk Erich Kästner ist bei „Literatur im Schloss“ deutlich geworden. Gabriele Finger-Hoffmann und Hans-Peter Bögel haben den Autor in Beilstein gewürdigt.

Beilstein - Restlos ausverkauft war die Veranstaltung des Kulturvereins Oberes Bottwartal am Sonntagnachmittag im Schloss Beilstein. Dem zunächst lauten und heiteren Stimmengewirr der 90 Gäste folgte alsbald eine so tiefe Ergriffenheit, dass Gabriele Finger-Hoffmann ein bisschen erschrak. Traurigkeit wollte die Literaturwissenschaftlerin und langjährige Radioredakteurin mit ihrem Programm nicht verbreiten, versicherte sie. Doch entschuldigen brauchte sie sich nicht. Die mehr staunend-respektvolle als traurige Stimmung lag an dem, was Erich Kästner erlebte und an seiner wirkmächtigen Sprache, die daraus erwuchs.

Wenn der bekannte Hörfunksprecher Hans-Peter Bögel zwischendurch Kästnergedichte vorlas, entfaltete sich deren unvergleichliche Mischung aus Frohsinn, Ernst und Melancholie, aus inhaltlicher Tiefe und sprachlicher Verspieltheit. Schon allein für Hans-Peter Bögels Rezitation des Januargedichts „Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege“ hat sich der Gang auf Schloss Beilstein gelohnt.

Als der kleine Erich in der Wiege lag, ging es seiner Mutter Ida nicht gut. Sie war unglücklich in der vermittelten Ehe mit dem armen Sattler Emil Kästner. Der leibliche Vater ihres Sohnes war der königlich-preußische Sanitätsrat Dr. Emil Zimmermann.

Ida Kästner legte all ihre Kraft und ihren Ehrgeiz in ihren Jungen. Dafür schuftete sie als selbstständige Friseurin unter schwierigen Bedingungen, und Erich half im Geschäft schon als kleiner Junge mit. Galt all ihre Liebe ihrem Sohn, wirkte sie auf andere kalt. Sie brannte aus. Regelmäßig las der Junge in der verlassenen Wohnung auf einem Zettel. „Ich kann nicht mehr, leb’ wohl“. Dann jagte er atemlos durch die Straßen, fand sie meist auf einer Brücke.

Erich Kästner selbst schrieb über seine Mutter, dass sie ihr Leben auf eine Karte, nämlich auf ihn, gesetzt habe. „Sie wollte die vollkommene Mutter ihres Jungen werden, und sie wurde es.“ Deshalb sei er der beste Schüler und der vollkommene Sohn geworden. Auch wenn sie kein Engel gewesen sei, habe er diese Mutter lieb gehabt.

Ihr Leben lang habe er sich um sie gesorgt, habe ihr deshalb täglich geschrieben. Das Etikett „Muttersöhnchen“, das ihm manche aus diesem Grund anhängten, versah Gabriele Finger-Hoffmann mit einem dicken Fragezeichen. Die Nazis, die 1933 auch seine Bücher verbrannten, seien bei ihm hin- und her gerissen gewesen, so Finger-Hoffmann. Er habe in keine Schublade gepasst. 1942 schrieb er in ihrem Auftrag das Drehbuch für einen Propagandafilm. Die darin versteckte Kritik habe Hitler zum Toben gebracht und Kästner ein weiteres Schreibverbot beschert.