Der Foto: Andrea Ertl

Erbitterter Streit um Kapellenweg führt dazu, dass Gottesdienst auf Dorfplatz stattfinden muss.

Beilstein-Stocksberg - Die Rollläden sind heruntergelassen, schon der Zugang zum Hof vor dem umstrittenen Kapellenweg in Stocksberg (wir berichteten) ist direkt an der Straße mit Absperrband und einem Seil gesperrt. Und so kommt es, dass Pfarrer Rüdiger Jeno den Gottesdienst am Sonntagvormittag nicht in der Auferstehungskapelle, sondern auf dem Dorfplatz feiert. Nur alle drei Monate ist hier oben ein Gottesdienst geplant und heute haben sich dazu 40 Gemeindemitglieder im strömenden Regen versammelt. Etliche Medien interessieren sich mittlerweile für die Provinzposse in Stocksberg, sogar die SWR-Landesschau ist mit einem Fernsehteam vor Ort.

„Vielleicht wird ja noch aufgemacht“, hofft Ina Grund mit ihrem Mann Jürgen Scheible vor dem Gottesdienst. Vor zehn Jahren ist das Ehepaar nach Stocksberg gezogen und findet „abstrus, was hier oben manchmal passiert“. Schon lange gebe es Streitigkeiten im Dorf, ein Anwohner schade nun im Prinzip allen hier oben. Und Ernst Idler bezweifelt, dass die Situation hier noch privatrechtlich geklärt werden kann. „Da muss jetzt ein richterlicher Entschluss her.“ Früher habe er diesen Weg, der zwei Besitzern gemeinschaftlich gehört, immer genutzt, um zur Kapelle und zum Friedhof zu gelangen. Dafür muss man jetzt einen langen und mühsamen Umweg, teils über einen Wiesenweg, nehmen. Idler habe sich in Gesprächen mit den Eigentümern für eine Klärung eingesetzt, bis eine Familie ihm Einhalt geboten habe.

Gesungen wird „Macht hoch die Tür“
Auch Bürgermeister Patrick Holl ist zum Gottesdienst gekommen und sagt besorgt: „Das wächst sich jetzt immer weiter aus – der Eigentümer lässt uns hier im Regen stehen.“ Einer der Eigentümer sei durchaus kooperativ gewesen, hätte aber jetzt das Signal gegeben, dass man sich frühestens an Pfingsten zum Gespräch treffen könne. „Die Situation kann nicht so lange bestehen bleiben.“ Und so schließt er nicht mehr aus, dass eine Enteignung eingeleitet wird. „Es gibt viele ungeklärte Sachverhalte aus der Vergangenheit“, sagt Holl. Einige Anwesende an diesem Vormittag vermuten, dass ein Eigentümer unzufrieden ist, bei der Versteigerung eines dahinterliegenden Grundstücks nicht zum Zuge gekommen zu sein. Und dass befürchtet wird, nicht genügend von einer Aufwertung der angrenzenden Grundstücke – auch durch die geplante Neubebauung – zu profitieren.

„Die Glocken läuten, kann es jeder hören?“, fragt Pfarrer Rüdiger Jeno und beginnt mit dem Gottesdienst. „Heute feiern wir den Sonntag Jubilate“, sagt er und hofft, dass es die Gemeinde auch ohne musikalische Begleitung schafft, zu jubilieren und Lieder zu singen. Ein Lied, das er für diesen Gottesdienst ausgewählt hat, ist „Macht hoch die Tür“. Es sei ein schönes Lied für diesen Ort vor den Toren der Auferstehungskapelle: „Wer sagt denn, dass das Lied nur in der Adventszeit gesungen werden kann?“, fragt er und erzählt von der Entstehung des Liedtextes von Georg Weissel.

Erstmals gesungen wurde es im Advent 1624 vor dem verschlossenen Gartentor des Geschäftsmanns Sturgis in Königsberg. Das geschlossene Tor versperrte Bewohnern eines Armen- und Siechenhauses den direkten Zugang zur Stadt und zur Kirche. Nach dem Lied habe Sturgis das Tor wieder geöffnet und Pfarrer Jeno sagt: „Da geht es den Menschen gut, da geht die Sonne auf!“ – und vielleicht heiße der Kapellenweg ja irgendwann einmal Adventsweg.