Jubel bei Lukas Gallus: Seiner SG Schozach-Bottwartal ist eine kaum mehr für möglich gehaltene Aufholjagd geglückt. Foto: avanti

In der Württembergliga liefern sich die SG Schozach-Bottwartal und der SKV Oberstenfeld in vollbesetzter Halle ein Duell, das kein Beteiligter so schnell vergessen wird.

Beilstein - Als das Württembergliga-Derby zwischen der SG Schozach-Bottwartal und dem SKV Oberstenfeld am Samstagabend vorbei ist, rennen die einen wild jubelnd und schreiend übers Spielfeld, können ihr Glück kaum glauben. Die anderen schlagen fassungslos die Hände vors Gesicht, manch einer sinkt zu Boden. Fragt sich wohl: Was ist uns da gerade nur widerfahren, wie konnte das passieren? Und die Zuschauer in der bis auf den letzten Platz besetzten Beilsteiner Langhanshalle trauen ihren Augen kaum. Sie haben soeben ein äußerst denkwürdiges Nachbarschaftsduell gesehen, das all die Emotionalität, die Schönheit, aber auch die mentale Brutalität eines Derbys geboten hat. Ach was – des ganzen Handballsports.

Die jubelnde Mannschaft ist am Ende die SG Schozach-Bottwartal, die sich mit 24:23 gegen den SKV Oberstenfeld durchsetzte. Entsprechend sind es die Gäste, bei denen pure Enttäuschung herrscht. Warum das so ist, wird an zwei Eckpunkten besonders deutlich: Die SG führte im ganzen Spiel nur ein einziges Mal – und zwar in den letzten Sekunden, nachdem Felipe Soteras Merz von halbrechts zum 24:23 getroffen hatte. Und noch bemerkenswerter: Die SG machte mit diesem Tor den Halbzeitrückstand von 7:14 wett. Ein Zwischenstand also, bei dem Oberstenfeld die doppelte Anzahl an Treffern erzielt hatte – und so bereits wie der neue Derbysieger aussah.

So legte der SKV auch gleich los wie die Feuerwehr, führte nach fünfeinhalb Minuten mit 4:0, und zwang die SG so bereits zu einer ersten Auszeit. Überragende Person der Oberstenfelder war Keeper Nikolai Uhl, der in der ersten Halbzeit sagenhafte 13 Paraden hinlegte. Spätestens in der 27. Minute, als er beim Stand von 13:7 für den SKV auch noch einen Siebenmeter parierte, brandete bei den Gästefans lautstarker Sonderapplaus auf. Uhl ließ den Gegner bis zur Pause verzweifeln, wehrte Ball um Ball ab, und hatte großen Anteil daran, dass die SG im ganzen Spiel von sieben Siebenmetern nur einen einzigen verwandelte.

Insgesamt zeigte Oberstenfeld zunächst mehr Biss, ließ sich auch vom zwischenzeitlichen 6:6-Ausgleich (16.) nicht aus dem Konzept bringen – fünf Minuten später war der SKV wieder mit 10:6 vorne und baute diesen Vorsprung dann noch bis auf den besagten Pausenstand von sieben Toren Vorsprung aus. Zu verdanken war das auch einer offensiv ausgerichteten Abwehrreihe, gegen welche die SG kaum Mittel fand. Und kam diese doch vielversprechend zum Wurf, war eben Nikolai Uhl zur Stelle.

„Es war dann ein Spagat für mich, in der Kabine auf den Tisch zu hauen, dass mir fast der Kragen platzt, aber auch zu vermitteln, dass wir noch eine Chance haben“, sagt SG-Trainer Tobias Klisch. Seine Ansprache jedenfalls fruchtete – dank schneller Tore nach der Pause, mit der die Mannschaft wieder den Glauben an sich fand. So stand es nach 44 Minuten nur noch 16:18. Dabei taten sich die Hausherren mit einem temporeicheren Auftritt gegen die nun defensivere SKV-Abwehr deutlich leichter, und Uhl konnte nicht mehr an seine vorherige Leistung anknüpfen – für ihn kam Daniel Neumann, der mit einigen Paraden – unter anderem bei einem Siebenmeter (51.) – ebenfalls eine starke Leistung bot. Das reichte aber nicht, um die SG auf Abstand zu halten. Diese verkürzte den Rückstand Tor um Tor.

Auch, weil es nun die Oberstenfelder waren, die gegen die 3:2:1-Abwehr der Hausherren nicht mehr ankamen. „Wir haben dann vier-, fünfmal den gleichen Spielzug versucht. Das war nicht gut“, hadert Oberstenfelds Trainer Michael Walter, der schließlich in Minute 59 zusehen musste, wie seine Mannschaft beim 23:23 den Vorsprung erstmals vollends verspielt hatte. Und wie es dann eben so ist, gelangen SG-Keeper Philip Hämmerling, der bis dahin kaum glänzen konnte, ausgerechnet jetzt zwei Paraden – und ermöglichte seinem Teamkollegen Soteras Merz damit den besagten Wurf zum 24:23-Derbysieg.

Die Hausherren mussten nach einem Foul an der Mittellinie von Damir Marjanovic zwar nochmal kurz bangen. Da aber nicht klar war, ob der SKV noch zum Torabschluss gekommen wäre, wurde den Gästen kein Siebenmeter zugesprochen. Stattdessen wurde die Uhr von 60:00 Minuten um zwei Sekunden zurückgestellt, was Oberstenfeld nicht mehr zum Ausgleich nutzen konnte. „Aus meiner Sicht muss es da noch einen Siebenmeter geben. Unabhängig davon, müssen wir das Spiel aber vorher entscheiden. Wir bekommen nach der Pause zehn Kontertore, obwohl wir genau mit diesem schnellen Spiel der SG gerechnet haben. Wir wussten, dass sie auf Tempo gehen werden, laufen aber oft nicht zurück“, kritisiert SKV-Coach Walter. Seine Spieler hätten in der Pause wohl schon gedacht, dass der Vorsprung reichen würde, seien im Kopf schon Derbysieger gewesen. „Entscheidend war der Unterschied zwischen unserem Willen in der ersten und dem fehlenden Willen in der zweiten Halbzeit.“

Sein Gegenüber Tobias Klisch sprach von einem Sieg, „mit dem nicht mehr zu rechnen war“. So hätte sein Team vor der Pause einfach zu viele Chancen verblasen. „Dann haben wir aber Moral bewiesen und wenige Kontertore kassiert. Das war wichtig. Ich habe den Jungs in der Auszeit gesagt: Wenn wir vier Tore in zehn Minuten aufholen können, können wir in den letzten 20 Minuten auch noch gewinnen.“ Natürlich sei der Sieg „am Ende „glücklich“ gewesen, so der SG-Trainer. Seiner wild jubelnden Sieger-Mannschaft war das aber natürlich ganz egal. SG Schozach-Bottwartal:
Hämmerling, Ernst – Weckerle (4), Linder (1), Soteras Merz (3), Ziegler (1), Gallus (2), Rossmeier, Zieker (4), Schmitz, Marjanovic (2), Zluhan (7/1), Baumann. SKV Oberstenfeld:
Uhl, Neumann – Tudisco, Fuhrmann (2), Schädlich (1), Goller, Pflugfelder (4/1), Stauch (5), Lehmann (4), Selcho (1), Bütner (1), Eisele (4), Teske (1), Hölzel.