Bürgermeister Patrick Holl sieht den Wohnraumdruck als ein Problem. Foto: Werner Kuhnle

Der Beilsteiner Bürgermeister blickt im Sommerinterview auf die Projekte der Stadt. Insbesondere der westliche Teil der Kommune soll sich baulich weiterentwickeln.

Beilstein - Die Verwaltung der Stadt Beilstein handelt nach einem Maxime: immer nur ein Großprojekt auf einmal. Der Neubau des Kinderhauses ist so gut wie abgeschlossen. Und auch das Neubaugebiet „Hartäcker“ ist auf einem guten Weg. Doch Herausforderungen gibt es natürlich noch einige: Bottwartalbahn, Gewerbegebiet, Verkehrsberuhigung. . .es gibt viel zu tun.

Die Zeit rennt – schon mehr als die Hälfte des laufenden Jahres ist vorbei. Wie sieht da ihre bisherige Bilanz zum Jahr 2017 aus? Es gab glückliche Umstände und wiederum andere Themen, die uns doch strapaziert haben. Ich denke, wir sind froh, dass wir mit dem Neubaugebiet „Hartäcker“ in ein Stadium gekommen sind, in dem wir Klarheit haben über den Standort und bereits in die Planung einsteigen konnten. Wir haben im Bereich DSL für die Teilorte einen Startschuss bekommen und können in die Konzeption einsteigen. Und wir konnten einiges fertigstellen, wie den Radweg am Söhlbach. Was wohl alle Beteiligten im ersten Halbjahr strapaziert hat, war das Kinderhaus, als die größte aktuelle Baustelle. Jetzt sind wir da auch auf der Zielgeraden – aber bis der Umzug abgeschlossen ist und alles rund läuft, steht noch viel Arbeit bevor. Positiv hervorzuheben ist, dass uns die örtlichen Betriebe sowie die Erzieher die Treue gehalten haben und mit großem Einsatz dabei waren.

Kann man eigentlich trotz der Probleme den Herbst als Eröffnungstermin einhalten? Als wir bemerkt haben, dass der eigentliche Termin im Frühjahr nicht einzuhalten ist, haben wir uns ja einen neuen Plan gesetzt und bewusst die Schließtage in den Sommerferien noch mitgenommen. Während diesen sollen die Umzugstage anstehen, damit schließlich im neuen Kindergartenjahr dann nach und nach die Gruppen einziehen können. Bis dahin haben wir ja außerdem noch unsere Bestandsgebäude.

Wird es eine große Einweihungsfeier geben? Die Eröffnungsfeier werden wir mit einem „Tag der offenen Tür“ verbinden. Aber die Erzieherinnen sollen erst einmal mit den Kindern in aller Ruhe ankommen und sich einleben, weshalb wir ein paar Wochen vorbeiziehen lassen. Dann sieht es auch nicht mehr so steril aus. Danach steht auf jeden Fall eine Einweihung an – ich denke, das ist wichtig, weil das Kinderhaus als Baustelle große Aufmerksamkeit bei den Bürgern hat. Sie sollen ebenfalls das Haus kennenlernen können. Es ist ja schließlich auch ein öffentliches Gebäude, schon alleine durch die Sporthalle. Der Vorplatz ist auch für die Öffentlichkeit, gleiches gilt für den Parkplatz. Die Nutzung das Areals geht über die Kinder und die Elternschaft hinaus.

Und wo steht man in finanzieller Hinsicht? Also wir werden auf die sechs Millionen Euro zugehen, wobei die Kostenschätzung täglich fortgeschrieben wird. Daher weiß ich den genauen Endbetrag noch nicht.

Wo kommt dieses Geld her? Wir hatten das Glück, dass wir Einnahmesteigerungen im Allgemeinen hatten und die Kosten so kompensieren. Wir haben nicht mehr Darlehen aufnehmen müssen, als wir es vorgesehen hatten. Es ist aber auch klar so, dass wir dieses Geld, das ja sonst übrig gewesen wäre, gut für andere Dinge hätten brauchen können. Das heißt, dass wir im Haushaltsjahr 2019 schon die Aufgaben erfüllen, aber eben nicht aus dem Vollen schöpfen können.

Welche Posten wären das? Eine Daueraufgabe ist die Unterhaltung der öffentlichen Infrastruktur – ob nun Wege, Straßen oder Gebäude. Hierfür investieren wir jährlich einen gewissen Betrag, weil es wichtig ist, dass der Bestand erhalten bleibt. Da ist jetzt im Grunde die Frage, in welchem Tempo man weiter voranschreiten kann. Gemacht werden muss früher oder später alles, weil Sanierungsbedarf da ist. Aber es kann sein, dass es langsamer vorangeht. Wir können ohnehin zeitgleich nur ein Großprojekt stemmen, und das darf dann nicht so groß sein, dass wir die Bestandspflege auf lange Sicht vernachlässigen. Das rächt sich.

Das nächste Großprojekt ist dann wohl das Neubaugebiet „Hartäcker“. Wie weit ist man hier? Wir haben den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan gefasst und auch den Entwurf diskutiert. Hier gab es noch einige Anregungen und offene Punkte, bei denen keine Klarheit oder Einigkeit besteht. Der Planer überarbeitet den Entwurf jetzt über die Sommerferien. Damit werden wir dann im Herbst erneut ins Gremium gehen und dann kann das Verfahren den gewohnten Weg gehen. Wenn der Bebauungsplan die entsprechende Reife hat, folgen schließlich die Umlegung und die Erschließung.

Wann können die Häuser gebaut werden? Da gibt es den Idealfall – dann sind es noch etwa zwei Jahre. Auch ist immer fraglich, ob es bei der Umlegung noch zu Schwierigkeiten kommt. Aber bis die Erschließung ganz erfolgt ist, die Wege befahrbar sind und Abwasserkanäle liegen, dauert es noch bis Ende 2019 oder Anfang 2020. Übrigens haben wir schon eine Vorabuntersuchung mit einem Ökologen gemacht. Da die Fläche bislang landwirtschaftlich genutzt wird, gibt es dort wenige Tierarten. Stichwort Zauneidechse. Aber natürlich könnte die Detailuntersuchung immer noch sensible Umweltaspekte zu Tage fördern.

Wie ist es mit den Bauplätzen? Sind alle weg oder hat man noch eine Chance? Da ist noch gar nichts vergeben! Es gibt aber schon zahlreiche Anfragen. Wir haben uns darauf verständigt, alle aufzunehmen, damit wir wissen, wer Interesse hat. Und wenn wir soweit sind, dass wir verkaufen können, werden diejenigen angeschrieben. Das wird dann öffentlich publik gemacht, damit andere noch eine Chance haben, sich ebenfalls bis zu einer Frist zu melden. Erst dann erfolgt die Bauplatzvergabe. Da wird es auch ein Punkt im Gemeinderat sein, ob wir uns Kriterien geben – wie etwa einen Vorzug für kinderreiche Familien? Oder für Einheimische? Falls die Nachfrage nicht so groß wäre, könnte es auch für jeden reichen – wobei ich das für unwahrscheinlich halte. Die Anzahl der Grundstücke ist noch nicht sicher, es werden um die 70 Bauplätze. Das kann sich aber im Verfahren noch ändern.

Inwiefern variiert der Platz? Wir wollen noch näher abgrenzen, wie viele Einfamilien-, Doppelhaus-, Mehrfamilien- und Reihenhäuser entstehen sollen. Denn es ist uns wichtig, dass in den „Hartäckern“ für jede Altersklasse und jeden Geldbeutel Wohnraum entsteht. Wobei es aufgrund der Baupreise und des Bodenpreisniveaus eine große Herausforderung ist, günstigen Wohnraum in unserer Region zu schaffen – das bleibt eine schwere Aufgabe. Selbst wenn man sich das fest vornimmt, liegt das Preisniveau für Leute, die über weniger Einkommen verfügen, immer noch hoch.

Die „Hartäcker“ waren nicht das einzige potenzielle Neubaugebiet in Beilstein. Was wird mit dem „Kleinfeldle“ passieren? Der Wille des Gemeinderates war es, dass wir beim „Kleinfeldle“ nicht nachlassen. Aber es gab damals noch einige ungeklärte Positionen in dessen Umfeld, wie etwa die Nachnutzung des Feuerwehrareals und die Trassenführung der Bottwartalbahn. Die westliche Entwicklung der Stadt ist für sich ein großes Thema – dort kommen Wohnen, Verkehr und Gewerbe zusammen. Für eine ganzheitliche Lösung müssen wir da erst einige Knoten zerschlagen. Erst dann wäre der Weg für ein Neubaugebiet frei.

Ein gutes Stichwort! Derzeit ist ja noch keine Erweiterung des Gewerbegebietes geplant. Wie will man Firmen im Ort halten? Wir sind in der Planung. Zunächst wäre die Frage, bei welchen Betrieben konkreter Handlungsdruck besteht. Daraus könnten wir eine Perspektive entwickeln, allerdings nur im kleinen Umfang. Tatsächlich haben wir derzeit keine kommunalen Flächen, die wir anbieten könnten, das ist richtig. Und deswegen ist es umso wichtiger, dass wir uns über das Thema Gedanken machen – vornehmlich wegen der Bottwartalbahn und abgeleitet davon: Wie viel bleibt dann noch für das Gewerbegebiet übrig?

Ist ein interkommunales Gewerbegebiet eine Option für Sie? Wir sind für die interkommunale Arbeit immer offen und haben dabei auch gerade mit Oberstenfeld stets gute Erfahrungen gemacht, wie etwa beim Freibad. Beim Gewerbegebiet fehlt es mit Sicherheit nicht am gemeinsamen Willen, es fehlt an den Rahmenbedingungen. Unser Potenzial im Flächennutzungsplan war ohnehin nicht sehr groß. Aufgrund der Bottwartalbahn wird sich das eher verkleinern, was folglich dann die Wahrscheinlichkeit, interkommunal zu planen, eher verringert. Aber das liegt schlicht an den nüchternen Fakten.

Was gibt es an Infos zur Bottwartalbahn? Die Debatte ist nun im ganzen Bottwartal präsent. Da ist der Weg auch klar. Jetzt wird im Kreistag und in den Ausschüssen diskutiert und es ist über die Beauftragung einer Machbarkeitsstudie zu entscheiden. Der kommunale Wille wurde platziert. Ganz unabhängig von dieser Diskussion haben wir uns in Beilstein aber schon seit längerer Zeit Gedanken darüber gemacht, wie wir mit der Trasse auf unserer Gemarkung konkret umgehen sollen. Das liegt daran, dass die südwestliche Seite der Stadt ein zentraler Verkehrsknotenpunkt ist. Dort verläuft die Bahn-Trasse, dort würde eine Umgehungsstraße entlang führen und es wäre die einzige Möglichkeit, eine weitere Zufahrt von außerhalb zum Gewerbegebiet zu schaffen. Wir machen es uns dort nicht einfach, weil die Entscheidungen für die Entwicklung der Stadt elementar sind.

Verkehr ist ja allgemein ein großes Thema in Beilstein – was konnte man hier erreichen? Also was jetzt vollzogen ist, ist Tempo 30 auf der Hauptstraße. Wir haben intensiv diskutiert, wie wir den Kreuzungsbereich am Forstbergweg entlasten können und uns dann auf einen Entwurf verständigt, wobei es da immer noch Bedenken gibt im Gemeinderat. Zu der Kreuzung muss man sagen, dass es dort aufgrund der Beengtheit keine Ideallösung geben wird. In Sachen Umgehungsstraße gibt es laut Regierungspräsidium sowohl Gründe, die dafür sprechen, wie auch Kritik, aufgrund der uns eine Realisierung in naher Zukunft nicht in Aussicht gestellt wird – wie etwa der Landschaftsverbrauch und die vergleichsweise geringere Nutzung durch innerörtlichen Verkehr. Dann war es noch ein Punkt, ob wir versuchen ein LKW-Durchfahrtsverbot zu erwirken. Da wäre der einzige Weg eine Umweltzone. Da geht es jetzt zunächst um Angebote – etwa für die Luftmessung. Das müssen wir auf eigene Kosten tun.

Macht sich Tempo 30 stark bemerkbar? Wir bekommen ganz unterschiedliche Rückmeldungen, wobei nach meiner Sicht ein Effekt erzielt wird. Durch die reduzierte Geschwindigkeit kommt man an den Einmündungsbereichen besser in den fließenden Verkehr. Zugleich merken wir, weil lange Zeit nicht oder nur wenig kontrolliert wurde, dass die Fahrer verleitet sind, die Schilder zu missachten. Allerdings sind generell alle Maßnahmen, die wir ergreifen, nur Linderungsversuche, solange uns noch keine Umgehungsstraße genehmigt wird. Wir haben nun mal 15 000  Fahrzeuge, die täglich durch die Stadt rollen. Wir drängen nach wie vor darauf, in den Generalverkehrsplan aufgenommen zu werden.

Nicht nur Straßenverkehr ist wichtig, auch der Datenverkehr im Internet ist Thema? Wir haben zwei Projekte und das ist für die Teilorte bedeutend, weil es verschiedene Lebenssituationen gibt, bei denen Internet auch für berufliche Zwecke und Schule nötig ist. Wir sind zum einen mit Stocksberg interkommunal beteiligt. Dort ist eine Ausschreibungsreife erreicht. Dann verbleiben noch acht Teilorte – weil Söhlbach und Schmidhausen bereits versorgt sind. Für die übrigen Weiler haben wir uns auf Fördergelder beworben, die wir auch erhalten haben. Derzeit läuft ein Interessensbekundungsverfahren, das bis September andauert. Das wird im Herbst auf jeden Fall noch mal Thema sein, und auch für die Haushaltsdebatte 2018 wird es eine Rolle spielen, wenn wir Gelder bereitstellen müssen.

Was steht sonst im zweiten Halbjahr noch auf der Tagesordnung des Gemeinderats? Wir gehen ja immer in Schritten – das heißt, dass wir Dinge erst mal abarbeiten, die wir angestoßen haben. Da sind wir mit dem Kinderhaus gut bedient. Und auch das Neubaugebiet soll schließlich noch in die nächste Stufe übergehen. Wir müssen auch noch eine Entscheidung treffen, wie es mit der Kelter weitergehen soll. Außerdem müssen wir die Nachnutzung des Areals im Birkenweg planen.

Das Thema „Asyl“ ist ein Dauerthema – was hat Beilstein hier 2017 noch zu erwarten? Wie sich die Flüchtlingsthematik weiter entwickelt, ist immer schwer kalkulierbar. Im Moment sind die Zahlen, die zu uns kommen, generell geringer – und deswegen haben wir in Beilstein in den vergangenen Monaten nun keine Neuzuweisungen mehr gehabt. Auch die Arbeit der Integration hat sich verändert in den letzten Monaten.

Könnten Sie die Integrationsarbeit konkreter ausführen? Am Anfang ging es zunächst darum, die Menschen mit dem Grundlegendsten zu versorgen: Wohnraum, Bekleidung, Schule, Kindergartenplätze . . . Das ist jetzt nahezu gemeistert, insbesondere auch durch die Unterstützung des Freundeskreises Asyl. Jetzt geht es darum, die Integration in eine Richtung zu bekommen, dass auch eine nachhaltige Verankerung erzielt wird. Die Menschen sind in den Sprachkursen weit fortgeschritten und bereit für den Arbeitsmarkt. Wohnen, Arbeit und Mobilität sind immer ein Kreislauf. Was den Wohnungsmarkt angeht, ist viel durch den Freundeskreis vermittelt worden, und wir haben eine Erstaufnahmeunterkunft aufgelöst und zur Anschlussunterbringung umgenutzt. Die ist noch nicht ganz ausgelastet. Und auch die beiden anderen Unterkünfte vom Landratsamt sind in der Kapazität nicht ganz ausgeschöpft. Obwohl ich denke, dass bei uns alles harmonisch verlaufen ist, sind wir dennoch nicht frei von Problemen. Welche genau sind das? Der Wohnungsmarkt ist ausgelastet. Und das gerade in dem Segment günstigen Wohnraums und damit für Zielgruppen, die eh schon Schwierigkeiten haben, Wohnraum zu finden – wie kinderreiche Familien, Alleinerziehende oder Menschen mit geringem Einkommen. Durch die große Nachfrage haben die Vermieter die Möglichkeit, sich den sichersten Mieter auszusuchen und für die genannten Gruppen wird es oft noch schwieriger. Daher ist es nun ein Thema, ob wir neben Flüchtlingen in der Anschlussunterbringung uns nun auch für die sozial Schwächeren im Bereich sozialer Wohnungsbau intensiv Gedanken machen müssen. Das war in den vergangenen Jahren ein großstädtisches Problem. Da merkt man, dass wir am Rand des Großraumes Stuttgart liegen und zunehmend auch diesen Wohnraumdruck haben.