Europa-Orient 2018: Lukas Bertsch, Stefan Auracher, Hannes Maichle und Sabrina Müller (von links) sind, wie ihre Mitstreiter David Volkmer und Kevin Arnold, startklar. Foto: Werner Kuhnle

Sechs Freunde bereiten sich auf ein großes Abenteuer vor: die Teilnahme an der Europa-Orient-Rallye.

Beilstein - In alten Autos über holprige Landstraßen brettern, tagelang auf Dusche und ein Hotelzimmer verzichten – das nehmen sich wohl nur wenige Menschen bewusst für ihren nächsten Urlaub vor. Anders sechs junge Menschen, die sich im Mai in ein großes Abenteuer stürzen – vielleicht das Abenteuer ihres Lebens. Als „The B-Team+1K“, also Bottwartal-Team mitsamt einem Auswärtigen, nehmen sie gemeinsam an der Europa-Orient-Rallye teil, die innerhalb von drei Wochen von Straßburg in die jordanische Hauptstadt Amman führt. Rund 6000 bis 7000 Kilometer Strecke, die die Freunde in eine neue, für sie unbekannte Welt führen wird.

Die sechs Teilnehmer, das sind Sabrina Müller, Hannes Maichle, Stefan Auracher und Lukas Bertsch aus Beilstein, David Volkmer aus Marbach und Kevin Arnold aus Pfedelbach. Den Mitt- bis Endzwanzigern steht nicht nur eine lange, sondern vor allem eine strapaziöse Fahrt bevor. Denn das Konzept der Rallye verspricht besondere Umstände. Beispiele gefällig? Die Autos müssen mindestens 20 Jahre alt sein oder dürfen den Kaufwert von 1111,11 Euro nicht übersteigen. Eine Übernachtung darf im Schnitt nicht mehr als 11,11 Euro kosten, maximal sind am Tag 666 Kilometer zurückzulegen. Und um die Rallye vollends zum Abenteuer werden zu lassen, sind Autobahnen und mautpflichtige Straßen tabu, Navigationsgeräte sowieso – Ehrensache.

Mit drei Autos geht jedes Team an den Start. Schließlich soll für alle sechs genug Platz sein, falls doch eines der Autos wortwörtlich auf der Strecke bleibt. Wichtig ist schließlich nicht, dass alle Fahrzeuge, sondern alle Teammitglieder ankommen – nur dann ist man auch Teil der Wertung.

Um diese Eventualitäten möglichst zu vermeiden, laufen die Vorbereitungen des „B-Team+1K“ auf Hochtouren. Seit Monaten sind die Bottwartäler dran, ihre drei eigens angeschafften Fahrzeuge für die Rallye zu präparieren. Zwei- bis dreimal pro Woche kommen sie mit Freunden in einer Werkstatt in Unterheinriet zusammen, um zu schrauben, zu reparieren und zu montieren. Und zwar nicht nur einen Dachgepäckträger, ein Matratzenpodest oder Funkgeräte, sondern womöglich auch gleich noch einen Grill. So zumindest der Plan. Ein Glück, dass mit Stefan, David und Hannes gleich drei „Schrauber“ Teil des Teams sind. „Am BMW mussten wir das Lenkgetriebe reparieren. Sonst waren es Kleinigkeiten“, erklärt Stefan. Die Autos scheinen also gewappnet.

Fehlen darf aber natürlich nicht das passende Äußere der mithilfe von Sponsoren angeschafften Autos – einem VW Bus T4, einem BMW 5er (mit 416 000 gefahrenen Kilometern) und einem Audi 100 Kombi. Ein Scheich, eine Palme, ein breit-grinsender Smiley und eine Alpen-Landschaft sind bereits in Graffiti-Form aufgetragen. Ein Kamel in einer Wüstenlandschaft ziert außerdem das Bussle – kein Wunder: Schließlich darf der Sieger der Europa-Orient-Rallye theoretisch ein Kamel mit nach Hause nehmen. Was in der Vergangenheit aber nie wirklich passierte.

Was wirklich zählt, ist sowieso das Abenteuer an sich. Der Weg ist das Ziel, und wird er noch so kräftezehrend. „Man kommt in Länder und an Orte, die man sonst wohl nie sehen würde“, nennt Sabrina Müller einen Reiz, diese Tour auf sich zu nehmen. „Vor allem ist man nicht in Touri-Gegenden unterwegs, sondern erlebt dort das wahre Leben.“ Sabrina war es auch, die im Netz viel zu der Rallye gestöbert hatte und so mit den Anstoß zur Teilnahme gegeben hat. Bei einer Geburtstagsfeier im Juli wurde diese dann fix gemacht. Man könnte sagen, aus einer Laune heraus.

Nun warten Spaß und Strapazen. Die Route ist teils den Teams überlassen, teils in einem Roadbook vorgegeben. Fünf Tage haben die Teilnehmer Zeit, um nach Istanbul zu gelangen. Das „B-Team+1K“ hat sich für die Fahrt entlang der Mittelmeerküste entschieden: Kroatien, Albanien, Griechenland, Türkei. Hinter Istanbul wird es immer wieder Treffpunkte für alle Teams geben, geschlafen wird in bewachten Camps im Zelt oder Auto. So gelangen die Teilnehmer später, nach einer sicherlich aufreibenden Fahrt durchs türkische Bergland, in die Hafenstadt Mersin. Da Syrien aufgrund der Sicherheitslage nicht passierbar ist, geht’s von hier mit dem Flugzeug nach Tel Aviv, die Autos werden dorthin verschifft. Von Israel aus folgen die letzten Etappen nach Amman.

„Vor Ort werden uns immer wieder Aufgaben gestellt. Da wissen wir nicht, was auf uns zukommt“, sagt Lukas Bertsch. In den Vorjahren waren die Teilnehmer beispielsweise bei Sonderfahrprüfungen im Wüstensand gefordert. Ebenso erfahren die Teilnehmer erst noch, wo genau die Route ab Istanbul entlangführen wird. Immerhin eine Herausforderung war frühzeitig gestellt worden: das Sammeln von mindestens 1111 Kronkorken von 22 verschiedenen Biersorten. „Die sind für einen Weltrekordversuch bestimmt“, so Bertsch. Die israelische Künstlerin Rinat Look Elhaik möchte hieraus das größte Bierflaschen-Kronkorken-Mosaik der Welt schaffen. Und die Bottwartäler werden einen großen Teil dazu beitragen. Sage und schreibe 14 800 Kronkorken haben sie bereits beisammen, zwei Wäschekörbe voll.

Gedacht ist das Kunstwerk für den guten Zweck – ebenso wie die gesamte Rallye. So werden die Autos am Zielort zurückgelassen, der Ertrag soll soziale Projekte fördern. „Der Spaß und Völkerverständigung sowie humanitäre Zwecke stehen im Vordergrund“, heißt es von den Rallye-Veranstaltern. So haben die Teams auch Sachspenden im Gepäck, die entlang der Strecke Kindergärten und Schulen zugutekommen. Die Kosten für Rückflug, Benzin oder auch Verpflegung tragen die Teilnehmer dabei selbst. Sie haben bereits fünf Sponsoren gefunden, wären über weitere Unterstützung natürlich sehr dankbar.

Es ist die erste Auflage der Europa-Orient-Raylle. Zuvor fand diese zwölf Mal als Allgäu-Orient-Rallye statt. Die Teamvorstellung am 3. März erfolgt deshalb auch an keinem gewöhnlichen Ort, sondern in Brüssel am Europaparlament. Wie „The B-Team+1K“ dorthin kommen wird? Klare Sache: mit dem VW Bussle. Die erste Testfahrt und Einstimmung für das große Abenteuer.