Cem Özdemir (rechts) will den Nagel auf den Kopf treffen. Foto: Werner Kuhnle

Grünen-Chef Cem Özdemir informiert sich bei Rikker Holzbau in Affalterbach über die Wünsche des Handwerks. Von der Politik wünscht er sich mehr Pragmatismus.

Affalterbach - Einen außergewöhnlichen Praktikanten hatte gestern die Rikker Holzbau GmbH in Affalterbach. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir war gekommen, um einen Tag lang die Arbeit eines Handwerksbetriebs zu verfolgen und sich über Wünsche und Sorgen der Firma zu informieren. Denn Verordnungen und Gesetze spielen für die Standortwahl eines Unternehmens sowie für Innovationen und Investitionen eine wesentliche Rolle.

„Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich nun tiefe Einblicke gewonnen hätte“, resümierte der Bundestagsabgeordnete. „Aber ich habe viel mehr mitbekommen als bei dem üblichen Gespräch in meinem Büro.“ Zusammen mit den Handwerkern besuchte der Politiker einen Tag lang Baustellen, kletterte auf Dächer und schlug auch schon mal „einen symbolischen Nagel ein“, wie er sagte, vor allem jedoch informierte er sich über „die Knochenarbeit“ und darüber, wo der Schuh drückt und wo die Politik eingreifen kann.

Die Handwerkskammer Region Stuttgart hatte das Holzbauunternehmen vorgeschlagen, weil dort auch grüne Themen wie Energieeffizienz sowie ökologisches Bauen und Sanieren eine Rolle spielen. „Und weil der Betrieb innovativ und zukunftsorientiert ist“, lobte Gerd Kistenfeger von der Handwerkskammer.

Özdemir sagte, die Sanierungsquote läge derzeit unter einem Prozent; sie sollte jedoch 2,5 Prozent betragen, um das Klimaziel zu erreichen. Das Geld für die steuerliche Förderung rechne sich, betonte er: „Es gibt keinen Bereich, in dem das Geld so sinnvoll eingesetzt werden kann.“ Die Interessen des Handwerks und des Umweltschutzes gingen dabei Hand in Hand.

Geschäftsführer Helmut Rikker brachte das Thema Fotovoltaik zur Sprache, bei der die Förderung aus seiner Sicht unglücklich gelaufen ist: „Erst war’s zu viel, jetzt ist es zu wenig.“ Das habe zu vielen Pleiten geführt.

Özdemir sprach den Fachkräftemangel an und die Möglichkeit, diesen durch „hoch qualifizierte Flüchtlinge“ zu beheben. Helmut Rikker zeigte sich nicht abgeneigt, sagte aber, er habe derzeit noch kein Problem, Auszubildende zu finden. Es sei eher schwierig, die Leute nach ihrer Lehre im Betrieb zu halten. Derzeit werden bei Rikker fünf junge Menschen ausgebildet.

Seine Wünsche an die Politik lauten: Das Handwerk nicht über der Industrie vergessen und den Holzbau fördern. Holger Wetter, der technische Leiter bei Rikker, bemängelte, dass die Berechnung des künftigen Energiebedarfs eines Hauses derzeit sehr aufwendig sei. „Da müssten die Förderung durch die KfW und die Energieeinsparverordnung (EnEV) in eine Richtung laufen.“

Auch der Hauptgeschäftsführer des Zimmererverbands Baden-Württemberg, Thomas Schäfer, hatte einige Wünsche: „Etwas mehr Pragmatismus bei den Sicherheitsvorschriften wäre angebracht. Und bei öffentlichen Aufträgen sollte nicht der günstigste den Auftrag bekommen, sondern der zweite – wie in der Schweiz.“