Der Spaß am Schießsport ist Knut Boettig schnell anzumerken. Foto: Werner Kuhnle

Trainer Knut Boettig ist seit mehr als vier Jahrzehnten eine treibende Kraft beim SV Affalterbach.

Affalterbach - Mit seinen Erlebnissen könnte er locker ein Buch füllen, meint Knut Boettig, als er in einem Café in Marbach an seiner Tasse Cappuccino nippt. Und im Interview mit dem 73-Jährigen wird schnell deutlich, dass er sich bestimmt über viele Leser freuen dürfte. Knut Boettig ist seit mehr als vier Jahrzehnten eine treibende Kraft beim Schützenverein Affalterbach, führte diesen als Trainer zu großen Erfolgen, bis hin zu drei Deutschen Meisterschaften.

Vor allem aber ist der Affalterbacher jemand, der Dinge selbstständig anpackt und dabei gerne andere Wege als gewöhnlich geht. Nicht nur im Schießsport. Seine Frau, die er einst mit dem Spontan-Kauf ihres heutigen Grundstücks überraschte, oder auch der ehemalige Affalterbacher Bürgermeister Herbert Müller können ein Lied davon singen. Dem Schultes hatte er zum Geburtstag eine Weizenbier-Einschenkmaschine geschenkt. Fabrikat Eigenbau versteht sich. „Der Bürgermeister fiel beim Anblick des Präsents aus allen Wolken“, hielt die Marbacher Zeitung bei der Übergabe anno 2004 fest.

Es ist eine ansteckende Art, die Boettig ausstrahlt. Auch hier im Café in Marbach. Unter seinem Schnurrbart beginnt er zu strahlen, wenn er an besondere Momente zurückdenkt. Manchmal aber spricht er auch in ernstem Ton, schüttelt mit dem Kopf, ja wird ein bisschen fuchsig. Zum Beispiel, wenn es um manche Begegnung mit Zollbeamten an Flughäfen geht, mit denen er sich immer wieder „rumstreiten muss“. Und zwar dann, wenn er seine Luftgewehr-Schützen, die aus aller Herren Länder nach Affalterbach kommen, dort abholt.

Dabei war der SVA noch Teil der „Buschliga“, als Knut Boettig in den 1970er-Jahren erstmals mit ihm in Kontakt kam. Durch Zufall. „Wir wanderten am Vatertag durchs Buchenbachtal und sind dann ins Schützenhaus in Wolfsölden“, erinnert er sich. Dass es sich ums Schützenhaus handelte, erfuhr er erst, als er einen Arbeitskollegen traf, der hier ausschenkte. „Zwei Jahre später klingelte es dann und der Zweite Vorsitzende stand vor der Tür. Ich wusste gar nicht mehr, dass ich wohl mal einen Mitgliedsantrag ausgefüllt hatte. So kam ich aber dazu, mir das mal anzusehen“, so Boettig, der mit dem Schießsport vor jenem Jahr 1974 „ja gar nichts am Hut“ hatte.Und wäre Knut Boettig kein Macher, hätte sich daran nichts geändert. Er nimmt einen Schluck Cappuccino, und spricht von den Anfängen, als wären sie gestern gewesen. „Als ich dann mal im Schützenhaus war, hat da jeder für sich geschossen. Manche mit Gewehr, manche mit der Pistole. So hat mir das aber keinen Spaß gemacht, mir hat eine Anleitung gefehlt.“ Und das sprach der ehrgeizige Boettig auch an. Die Folge: „Sie sagten mir: Dann mach’ du doch den Trainer!“ Und der Neu-Affalterbacher, der aus Bad Cannstatt in die Apfelbachgemeinde gezogen war, sagte tatsächlich zu.Dabei kam ihm ein weiterer Zufall zugute. „Der damalige Schützen-Bundestrainer Niki Reiter war ebenfalls mein Arbeitskollge. Ihn hatte ich immer bewundert, da er eine besondere Ruhe ausstrahlte.“ Boettig holte sich wertvolle Tipps, bald entstand eine Freundschaft – und der SVA erreichte sportlich ganz neue Gefilde. Plötzlich ging es auf Meisterschaften, der Trophäenschrank füllte sich. Auch der Verein wuchs. „Wir hatten einen großen Zulauf von Jugendlichen. Irgendwann wurde alles zu eng, sodass wir Ende der 1970er das neue Schützenhaus bauten“, erinnert sich Boettig. Das zahlte sich aus: „Im Lauf der 1980er waren wir mit unseren Jugendlichen und Junioren der stärkste Verein in Deutschland. Ging es zu Preisschießen, hieß es bei den anderen: Die Affalterbacher kommen, da brauchen wir gar nicht erst antreten.“

Aus seinem Erfolgsrezept, das er von Reiter verinnerlicht hat, macht der heute 73-Jährige keinen Hehl und nennt drei Zutaten, die einen guten Schützen ausmachen. Die Kondition sei wichtig, dazu müssten das Mentale und die Atemtechnik stimmen. „Und das Atmen machen viele falsch“, beobachtet Knut Boettig immer wieder, der diese Tipps seit Jahren auch als Trainer am Landesleistungszentrum für Sportschützen in Pforzheim weitergibt. „Das Training ist teilweise stupide“, weiß er – „aber es wirkt.“

Auch viele Affalterbacher wurden schon bald am Stützpunkt trainiert, zu Hochzeiten machten sie 60 Prozent des Kaders in Pforzheim aus, erinnert sich Boettig. Und da er dank Niki Reiter mit der Zeit auch internationale Kontakte knüpfte, kam es dazu, dass zusätzlich internationale Topstars für Affalterbach antraten. Der erste war Rajmond Debevec aus Slowenien, den Boettig bei einem Preisschießen in Hannover kennenlernte. Später besuchte er den achtmaligen Olympiateilnehmer und späteren Sieger von 2000 in Sydney zweimal in Ljubljana. „Als er dann von der Gründung der Bundesliga mitbekam, rief er mich an einem Sonntag an und fragte, ob wir noch einen Ausländer brauchen.“ Ein Glücksgriff – in den ersten beiden Bundesliga-Jahren 1998 und 1999 wurde der SVA prompt Meister. „Damit war gar nicht zu rechnen, wir wussten ja nicht, was da auf uns zukommt. Leider hat Niki Reiter das nicht mehr mitbekommen, da er gestorben war. Es waren die Früchte seiner Arbeit“, so Boettig bedächtig.

Es folgten russische Stars wie Artjom Chadschibekow und Ljubow Galkina sowie der Inder Gagan Narang, der inzwischen dem Verband seines Heimatlandes vorsteht. Und dank des dritten Titels 2004 war der SVA bis 2017 Luftgewehr-Rekordmeister. Für viele Trainer wäre das wohl der schönste Erfolg der Laufbahn, doch bei Knut Boettig ist das ein wenig anders. Stichwort: andere Wege gehen. Und so nennt er heute als schönsten Erfolg den Erhalt des Grünen Bandes für den SV Affalterbach in den 1980er-Jahren, als Anerkennung für die vorbildliche Talentförderung. Überreicht vom Deutschen Olympischen Sportbund und von der Dresdner Bank. „Wir waren der erste Schützenverein überhaupt, der das bekommen hat.“

Sowieso hat Knut Boettig um die Titel kein großes Brimborium gemacht, trotz seines vorhandenen Ehrgeizes. Er ist da, das spürt man im Gespräch, am Boden geblieben und baut seine Mannschaft nun nach dem Absturz in die Württembergliga bedächtig auf – und beweist damit, dass bei Schützen die Kraft in der Ruhe liegt. Die ist es auch, die ihn an diesem Sport fasziniert. „Die Konzentration macht es für mich aus, dieses: auf den Punkt da zu sein.“ Eine Eigenschaft, die Schützen auch im Alltag weiterhelfe. „Von Diplom-Ingenieuren bis zum Flugkapitän gibt’s da alles“, so Boettig, der selbst im Maschinenbau tätig und dafür oft monatelang am Stück im Ausland war.

Im Ruhestand ist der ehemalige Gemeinderat und Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins auch wegen einer zwischenzeitlichen Krankheit kürzergetreten. Angepackt wird aber natürlich trotzdem: egal ob bei seinem zweiten Hobby, der Gartenarbeit, oder eben weiterhin als Trainer.