In diesem am Ortsausgang gelegenen Gebäude sollen nach derzeitigen Plänen 15 Personen ein neues Heim finden. Foto: Dominik Thewes

Eine Privatperson hat dem Landkreis jetzt ein Objekt in der Erdmannhäuser Straße zur Verfügung gestellt. Eine Initialzündung?

Affalterbach - Der erste private Mietvertrag für eine Flüchtlingsunterkunft in Affalterbach mit dem Landkreis Ludwigsburg ist unter Dach und Fach. Bürgermeister Steffen Döttinger informierte den Gemeinderat in der Sitzung am Donnerstag darüber, dass in das Gebäude in der Erdmannhäuser Straße 37 Ankömmlinge einziehen werden. Dabei handele es sich um eben jenes Objekt, das sich bereits von Anfang angedeutet und das er auch bei der Infoveranstaltung erwähnt habe. Wann und in welcher Zusammensetzung die Flüchtlinge tatsächlich ankommen, könne er jedoch noch nicht sagen. Angedacht sei aber, dort 15 Personen ein Heim zu bieten.

Grundsätzlich helfe jedes private Angebot, sagt Steffen Döttinger im Gespräch mit unserer Zeitung. „Weil die Personenzahl auf unsere Quote angerechnet und die Dezentralität gewahrt wird“, so Döttinger. Affalterbach muss aktuell bis zum Jahresende 147 Personen aufnehmen.

Obwohl die Verträge also mit dem Landkreis abgeschlossen werden, sind die privaten Vermieter auch eine Stütze für die Gemeinde. Darum sieht Steffen Döttinger die Verwaltung in der Pflicht, die betroffenen Anwohner über das Vorhaben zu informieren. „Wir haben die Nachbarn bereits eingeladen und über die Vermietung berichtet.“ Sofern Privatpersonen dies zulassen, wolle man auch bei möglichen künftigen Unterkünften so verfahren. Der Rathauschef hofft nun auf einen Schneeballeffekt. „Es wäre schön, wenn weitere private Anbieter dem Beispiel folgen würden“, sagt er.

An einer besseren Öffentlichkeitsarbeit wolle man auch in Sachen Flüchtlingsunterkunft im Näheren Grund arbeiten. Vor der Gemeinderatssitzung wollte Ilse Samietz in der Bürgerfragestunde wissen, wie die Verwaltung den Informationsfluss verbessern wolle, wo dieser „bislang nicht so glücklich war“, wie die Anwohnerin des Näheren Grunds sagte. Es habe ein erstes Gespräch gegeben, in dem die Gemeinde ihren Forderungen von maximal 80 Personen und einer Belegung auch mit Familien Nachdruck verlieh, erteilte Döttinger Auskunft. Der weitere Weg werde nun so sein, dass sobald es Pläne seitens des Kreishauses gibt, der Sprecher der Initiative, Josef Günther, von der Verwaltung informiert werde. Derzeit würde es jedoch keine Neuheiten geben. „Das Landratsamt hat die Planungen nach dem Bürgerantrag komplett eingestellt“, berichtete Döttinger. „Jetzt warten wir ab, was von der Kreisbehörde an Vorschlägen kommt.“

Ob das nicht zu spät sei, hakte Ulrike Josef nach. „Lässt man damit dem Landkreis nicht freie Hand?“ Es seien noch keine Baupläne erstellt und das Genehmigungsverfahren lange nicht abgeschlossen. „Das geht nicht von heute auf morgen“, beruhigte Steffen Döttinger. Jeder einzelne Schritte müsse zudem durch den Gemeinderat.

Kleiner Wermutstropfen: Das Bekenntnis zum Standort sei für das Landratsamt noch kein hinreichendes Argument. „Solange die Plätze nicht existieren, zählen sie auch nicht“, erklärte Döttinger. Sprich, bis die Unterkunft im Näheren Grund gebaut ist, kann es dennoch zu Zwangszuweisungen seitens der Kreisbehörde kommen.

Blickwinkel

Die Vermietung
von privatem Wohnraum an den Landkreis lässt nicht nur Flüchtlinge hoffen. Dominik Thewes

Hätten wir eine Strichliste geführt, welches Wort bei den diversen Info-Abenden zur Flüchtlingsunterbringung in Marbach und im Bottwartal am häufigsten bemüht wurde: „dezentral“ hätte klar gewonnen. Im krassen Gegensatz dazu steht, dass es keiner Gemeinde tatsächlich gelungen ist, ausreichend Bürger zu mobilisieren, ihren privaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Dezentral meint allerdings nicht, 100 Menschen in ein Gebäude in der Ortsmitte zu stecken – was vermutlich immer noch besser wäre, als sie an den Ortsrand zu drängen –, sondern sie auf viele kleine Einheiten flächendeckend zu verteilen.

Dass es so schwer ist, privaten Wohnraum zu finden, kann zwei naheliegende Gründe haben: Entweder ist die Not der Vermieter (noch) nicht groß genug, oder die Angst vor dem Fremden übergroß. Sollte Letzteres der Fall sein, könnte die Vermietung in Affalterbach ein Exempel statuieren. Denn erweisen sich die Flüchtlinge als angenehme Nachbarn, macht das Beispiel womöglich Schule. Nachahmer sind wünschenswert. Scheitert nämlich die Integration, dann auch deshalb, weil eine erzwungene Gettoisierung sie zu verhindern gewusst hat.

Die Zahlen aufzunehmender Flüchtlinge in den Kommunen im Bottwartal sind hoch. Aber doch nicht so, als das jede Gemeinde eine Notunterkunft errichten müsste. Die Not mit den Unterkünften ließe sich anders lindern. Dann nämlich, wenn jeder, der ein Objekt leer stehen lässt, sich fragt, warum er es eigentlich nicht Hilfsbedürftigen zur Verfügung stellt. Mietnomaden holt er sich damit nicht ins Haus, die Pacht trägt der Landkreis.

Zugegeben, die Hoffnung ist gering, aber doch will ich glauben, dass der Vorgang in Affalterbach eine Initialzündung sein kann. Dann bräuchten wir uns über Standortfragen, über Bürgeranträge und Stimmungsmache nicht mehr zu unterhalten. Wo Ausländer ganz selbstverständlich Teil der Nachbarschaft sind, verschwinden auf wundersame Weise die Vorurteile. Das ist ein weit verbreitetes Phänomen.

Aber nur zur Sicherheit, falls das mit der dezentralen Unterbringung doch nicht so ganz funktioniert: Das Wunder der von selbst verschwindenden Vorurteile funktioniert auch dann, wenn man sich in eine Massenunterkunft begibt, um den persönlichen Kontakt zu suchen.