Hoch soll er leben! Benjamin Kaltenbach wird von seinen Freunden und seiner Familie auf besondere Weise begrüßt. Foto: Andreas Hennings

Benjamin Kaltenbach ist viereinhalb Jahre auf der Walz gewesen. Nun endete sein Abenteuer – mit einem herzlichen Empfang in seiner Heimatgemeinde.

Affalterbach - Als Benjamin Kaltenbach von „dahoim“ in Affalterbach aufbricht, gibt es bei deutschen Ärzten noch die Praxisgebühr, ahnt in England niemand etwas von der Geburt von Thronfolger Prinz George, ist die AfD ist noch nicht gegründet und der vierte Weltmeistertitel der deutschen Fußballer ein bislang unerfüllter Traum. Am 17. September 2012 verabschiedet sich der junge Mann am Ortsschild von Affalterbach im kleinen Kreis von seiner Familie und seinen Freunden. Der gelernte Bootsbauer begibt sich auf die Walz – eine lange Reise mit unbekanntem Ziel.

1602 Tage später, am vergangenen Samstag, kehrt Benjamin Kaltenbach heim. Es ist die erste Rückkehr des Wandergesellen nach Affalterbach. Entsprechend wartet nicht nur ein kleiner Kreis auf den heute 28-Jährigen – 60 Menschen heißen ihn willkommen. Darunter Babys und Kinder, die Benjamin Kaltenbach zum ersten Mal sehen, sowie Freunde von der Ostsee, die für seine Ankunft in den Süden gekommen sind. Der Bürgermeister ist – wie bei der Verabschiedung – mit dabei, die Familie hängt ein Plakat auf. Kumpels spielen Musik, als ihr Benny über das Ortsschild klettert. Ein Ritual, das die Walz für beendet erklärt. Und siehe da: Ein Fahrrad-Wegweiser, den er beim Abschied beim Klettern verbogen hatte, ist noch immer nicht geradegerückt. Dient ihm wieder als Trittstufe.

Benjamin Kaltenbach ist also wieder „dahoim“, und sein Empfangskomitee fängt ihn auf, als er sich vom Ortsschild fallen lässt, ja lässt ihn mehrmals hochleben. Bei der Umarmung mit seiner Schwester Jasmin fließen Tränen. „Es ist schon sehr ungewohnt und komisch, wieder zuhause zu sein“, sagt er nun, drei Tage nach seiner Ankunft. Die Willkommensfeier in einer eigens angemieteten Kneipe, die bis zum Sonntagmorgen ging, steckt nicht mehr in seinen Knochen. Und auch seine Schnapsflasche hat er inzwischen ausgegraben. Diese hatte er beim Abschied am Ortsschild verbuddelt, für den Fall, dass bei der Rückkehr weder Freunde noch Familie auf ihn warten würden. Das war nicht der Fall – den Schnaps galt es freilich trotzdem auszugraben. Am Samstag klappte das nicht, da er wenige Zentimeter zu nah am Schild buddelte. Im zweiten Anlauf klappte es.

Hinter dem 28-Jährigen liegt eine Reise, die ihn quer durch Deutschland, nach Bosnien und Kroatien, nach Frankreich und Spanien, nach Dänemark und Norwegen führte. Ja sogar auf den Färöer Inseln machte er als Bootsbauer Station. „Von dort durfte ich auf einem historischen Zwei-Master mit nach Norwegen segeln“, erinnert er sich an ein besonderes Erlebnis.

Bis zu drei Monate am Stück durfte er in einem Bootsbau-Betrieb verbringen, dann hieß es: weiterziehen. Und das möglichst kostenfrei. Will heißen: zu Fuß oder per Anhalter. „Man weiß dann tagsüber nicht, wo man übernachten wird. Im Sommer legt man sich mit dem Schlafsack in die Natur, im Winter ist das schwieriger“, berichtet er. An seinen Arbeitsstellen übernachtete er mal in der Werkstatt, in einem Camper oder beim Handwerksmeister auf der Couch. „Man lernt, mit wenig auszukommen, und merkt, dass ein Bett oder eine Dusche nicht selbstverständlich sind“, sagt er.

Wo seine Reise hinführen soll, hatte er zwar grob geplant. Viel passierte dennoch spontan. „Man empfiehlt sich als Wandergeselle gegenseitig die Betriebe. Meist war ich alleine unterwegs, an Weihnachten oder Silvester aber zum Beispiel trifft man sich“, berichtet er. Rund 500 Wandergesellen aus Deutschland sind zurzeit unterwegs, nur drei oder vier als Bootsbauer. Sie alle dürfen sich für einen Mindestzeitraum von drei Jahren und einem Tag nicht näher als 50 Kilometer der Heimat nähern. Seine Familie besuchte ihn daher immer wieder an seinen verschiedenen Stationen.

„Im letzten Sommer merkte ich dann, dass die Energie langsam zurückgeht. Da entschloss ich mich, im Frühjahr heimzukommen“, sagt er. Doch allzu lange bleibt er in Affalterbach nicht: „In drei Wochen gehe ich mit meiner Band auf Tour, vielleicht nach Irland.“ So ganz steht das Ziel noch nicht fest. Aber mit Spontanität kennt sich Benjamin Kaltenbach jetzt ja bestens aus.