Jungen und Mädchen lernen getrennt.Arezou zeigt ihren pinkfarbenen Koran. Foto: Frank Wittmer

In der Koranschule der Pleidelsheimer Moschee lernen Kinder und Jugendliche den Glauben kennen.

Pleidelsheim - Die Moschee in Pleidelsheim ist weit mehr als nur ein Gebetshaus. „Für uns ist sie ein wichtiger kultureller Treffpunkt“, betont Seref Zor, der die Koranschule leitet. Der Höpfigheimer ist in Deutschland aufgewachsen. „Ich bin als Kind in die Jungschar der evangelischen Kirchengemeinde gegangen und habe mir da ein paar Sachen abgeschaut.“

Es gehe nicht nur um die Lehren, sondern vor allem auch darum, religiöse Werte durch Spiele und Freizeiten zu vermitteln. Wer am Sonntagmorgen die Türe der Moschee öffnet, die für Besucher gerne offensteht, merkt die lockere Atmosphäre. Es geht lebhaft zu, wie in anderen Schulen auch. 130 Kinder insgesamt besuchen die Koranschule. „Am Samstag kommen 50 bis 60 Kinder, am Sonntag sind es bis zu 100.“ Der Besuch ist freiwillig, wer wegen Fußball oder Familienausflügen nicht dabei sein kann, kommt einfach das nächste Mal wieder. Nur in einem Punkt ist Zor streng: Handys sind in der Moschee nicht erlaubt.

Jungen und Mädchen lernen getrennt, wie es im Islam üblich ist. Dabei empfinden die Mädchen und jungen Frauen die Trennung nicht als Zurücksetzung: Ihr Bereich ist abgeschlossen, auch Seref Zor als Leiter der Koranschule klopft, um eingelassen zu werden. „Die Frauen haben bei uns sogar die schöneren Räume“, gesteht Zor mit einem Schmunzeln im Gesicht.

Die Jüngsten lernen erstmal die Aussprache der in westlichen Augen verschnörkelten arabischen Schriftzüge. In seiner Generation, bedauert Zor, kennen viele den Koran nicht mehr im Original. „Das bedeutet, dass die Eltern ihren Kindern das nicht beibringen können.“ So sei die Idee der Koranschule entstanden.

Das Verständnis kommt später. Ein großes Ereignis im Leben einer jungen Muslima und eines jungen Muslims ist die Überreichung des ersten eigenen Korans. „Ein Kind ist in der Lage, das Buch Gottes zu lesen“, stellt Zor die Bedeutung des Augenblickes heraus.

Stolz zeigt die junge Arezou ihren pinkfarbenen Koran. Als Vierjährige ist sie auf der Flucht aus Afghanistan von ihren Eltern getrennt worden. Mittlerweile ist die Familie wieder zusammen, Arezou besucht die 2. Klasse der Grundschule und kann neben ihrer Muttersprache gut Deutsch, etwas Türkisch und Arabisch.

Arezou ist ein Beispiel, dass die allgegenwärtige Frage der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen die islamischen Gemeinschaften genauso betrifft wie den Rest der Gesellschaft. „Bei uns kommen Kurden mit Türken zusammen“, stellt Zor fest. „Wir haben Kinder und Familien aus Bosnien, Albanien und Syrien, die alle ihre eigene Kultur haben. Mohammed selbst war kein Türke, er war Araber. Vor Gott zählt der Mensch, nicht die Herkunft!“ Auch gerade deshalb unterhalten sich die Jugendlichen an diesem Morgen über das wichtige Thema „Respekt“. Seref Zor und Vorstand İSmail Cüman legen Wert darauf, dass das kulturelle Zentrum keinerlei politischen Hintergrund habe. „Wir halten uns in politischen Fragen heraus, wir wollen nur, dass unsere Kinder unsere Kultur kennenlernen“, sagt Cüman.

Dabei sollen die Lehren nicht nur vom Imam, dem Vorbeter in der Moschee, vermittelt werden. „Wir haben gedacht, es ist besser, wenn Männer und Frauen den Kindern das Lesen und Verständnis der Lehren beibringen“, betont Zor.

Ein Koranlehrer, der die von Mohammed aufgeschriebenen Worte komplett auswendig kann, heißt Hāfiz oder Hāfiza. Diese Personen werden sehr geachtet. Alle Lehrer und Lehrerinnen in der Koranschule in Pleidelsheim sind ehrenamtlich tätig. Meryem, die die jungen Mädchen unterrichtet, studiert Islamische Theologie. Ihren Anzug, den Ferace, trägt sie nicht nur sonntags in der Koranschule, sondern auch im Alltag. „Das ist wie ein Kleid für mich.“

Die jungen Frauen lernen, die Suren des Korans vor allem schön vorzutragen und die Gesetze des Islams tiefer zu ergründen. „Das ist die Stimme Gottes, die kann man nur im Original verstehen“, erklärt eine der Teilnehmerinnen, warum sie den Koran nicht in einer deutschen oder türkischen Übersetzung lesen will.