Die Radfahrer sind in den Städten und Gemeinden freudig begrüßt worden. Foto: Michael Hummel

Bei der längsten Friedensdemo der Welt ist auch die Schillerstadt Marbach vertreten gewesen.

Marbach - Es ist geschafft. Es ist Sonntag, der 7. August, 9.30 Uhr. Nach genau 27 Stunden und 45 Minuten und etwa 570 Kilometern Fahrtstrecke erreichen 20 Radler und die sieben Begleiter in drei Fahrzeugen die Stadtparkhalle in Bretten und werden von fast ebenso vielen Menschen erwartet. Eine Mischung aus völliger Erschöpfung und absolutem Glücksgefühl macht sich breit und wird gespeist durch viele Umarmungen, motivierende Ansprachen und ein leckeres Frühstück.

Am 6. August, dem 71. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, waren um 5.45 Uhr mehr als 120 Radler in Bretten für den mittlerweile zwölften Pacemakers-Radmarathon von Bretten über Heidelberg, Mannheim, Kaiserslautern, Ramstein, Neustadt/Weinstraße zurück in die Melanchthonstadt aufgebrochen. Zum wiederholten Mal gefilmt vom SWR-Fernsehen. Das Peloton auf der 340 Kilometer langen Strecke wuchs zwischenzeitlich auf fast 150 Radler an, als Botschafter für nukleare Abrüstung. Eskortiert von und dem sicheren Schutz durch die Polizei sowie durch die Pacemakers-Begleitfahrzeuge (Führungs- und Schlussfahrzeug, zwei Besenwagen, Pannenwagen). Auch einige Radfahrer aus dem Landkreis Ludwigsburg waren mit dabei.

Doch damit nicht genug. Von ursprünglich 35 Angemeldeten überwanden 20 Radler ihren inneren Schweinehund und fuhren etwa 230 weitere Kilometer von 22 Uhr ab über Pforzheim, Haigerloch, Tübingen, die Patch Barracks in Stuttgart zurück nach Bretten. Allerdings diesmal ohne Polizei zur Absicherung. Vor der nächtlichen Abfahrt wurden alle Radler über die Verhaltensweisen in der Nacht aufgeklärt. Das Begleitteam in den Fahrzeugen wurde bis auf zwei Personen komplett gewechselt. Die ganzen fast 28 Stunden dabei war auch Roland Blach, Chef-Organisator der Pacemakers und Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Baden-Württemberg. Seit mittlerweile sechs Jahren wohnt er in der Marbacher Altstadt. Er musste auch nachts motivieren, die Strecke weisen, informieren, koordinieren und so weiter.

Die monatelange Vorarbeit hatte sich gelohnt: Beim Start in Bretten wurde aus einem Grußwort japanischer Atombombenopfer zitiert, der Brettener OB Wolff fuhr selbst die ersten Kilometer auf dem Rad mit, ehe die Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern erreicht wurde. In Heidelberg wurde von Hermino Katzenstein, dem ersten Landtagsabgeordneten, der beim Marathon mitfuhr, in herrlicher Atmosphäre ein Grußwort des alten und neuen Verkehrsministers Winfried Hermann verlesen. Zur Mittagszeit begrüßte Bürgermeisterin Dr. Freundlieb die Teilnehmer vor dem Mannheimer Rathaus bevor 40 Kilogramm Pasta vertilgt wurden.

In Kaiserslautern wurde erneut die kleine evangelische Kirche in einen Verpflegungsraum umfunktioniert. Ein bewegendes Highlight war die Begegnung mit den über 30 Hobbyradlern der DFG-VK Bayern und deren Begleittross vor der US AirBase Ramstein. Dabei wurden viele Dutzend Schilder mit Namen von getötetem Kindern nach US-Drohnenangriffen in Pakistan hochgehalten. Seit 2014 ist bekannt, wie sehr Ramstein in die tödliche Drohnenpolitik der USA eingebunden ist – mit Duldung der deutschen Politik. Über den schönsten Streckenabschnitt der gesamten Tour, den Pfälzer Wald, ging es zum letzten Verpflegungsort tagsüber, nach Neustadt an der Weinstraße. Nach dem Zwischenziel in Bretten wurden die Radler selbst nachts an jedem Ort von mehreren Friedensaktivisten mit Verpflegung erwartet.

Absoluter Höhepunkt war in Haigerloch auf der schwäbischen Alb. Bei einer kurzen Führung im Atomkeller wurde über die Grundlagenforschung zu einer atomaren Kettenreaktion am Ende des Zweiten Weltkriegs berichtet, bevor Maultaschen in der Brühe, Kartoffelsuppe und Kaffee die Radfahrer um 3 Uhr morgens wieder erwärmte sowie neue Kräfte freisetzen ließ. Wenige Stunden später erreichte das kleine Peloton nach der längsten eintägigen Friedensdemo der Welt bei herrlichem Sonntagswetter das Kraichgau.

Die Pacemakers sind Teil der bundesweiten Kampagne „Büchel ist überall – atomwaffenfrei.jetzt“. Sie forderten auf ihrer Tour den umgehenden Abzug der Atomwaffen aus Büchel sowie den weltweiten Stopp von Aufrüstungs- und Modernisierungsplänen von Atomwaffen. Außerdem erwarten die Pacemakers, dass Deutschland endlich seine Bremserfunktion hinsichtlich eines Atomwaffenverbotsvertrags einstellt, zu dem sich bereits mehr als 120 Staaten in der UNO bekennen. Wenige Woche nach dem Pacemakers-Marathon beraten darüber Staaten in der Open-Ended-Working Group (OEWG). Nach einer im März veröffentlichten Forsa-Umfrage sind 93 Prozent der Deutschen für ein absolutes internationales Verbot dieser Waffen. Der Pacemakers-Marathon ist eine wunderbare, weltweit einmalige Verbindung zwischen der Friedensbewegung, dem Radsport und den Mayors for Peace. In den Mayors for Peace engagieren sich weltweit etwa 7000 Bürgermeister für eine atomwaffenfreie Welt, darunter allein mehr als 460 in Deutschland.

Ohne die Unterstützung der vielen lokalen Friedensgruppen – Friedensinitiativen Bretten, Westpfalz und Neustadt/Weinstraße, DFG-VK Mannheim, Heidelberger Friedensratschlag – der Oberbürgermeister als Schirmherren und den Stadtverwaltungen, den Sponsoren und Medienpartnern wären die Pacemakers in dieser Form nicht möglich. 2017 geht es selbstverständlich weiter.